„Heiliger Engelbert“ – Bis heute gibt es eine Dollfuß-Kirche in Niederösterreich

Alle Bilder: Michael Bonvalot

„Sein Leben war Arbeit, Seine Sendung war Kampf“. So steht es in der Krypta der „Engelbert-Kirche“ auf der Hohen Wand bei Wien. Der Name ist Programm: Denn gewidmet ist die Kirche bis heute dem austrofaschistischen Diktator Engelbert Dollfuß.

Die Hohe Wand ist ein beliebtes Ausflugsziel der Wiener Bevölkerung. Das Gebiet ist wunderschön und liegt nur einige dutzend Kilometer südlich der Bundeshauptstadt. Doch zu sehen gibt es auf der Hohen Wand nicht nur prächtige Natur und herrliche Aussichten. Sondern auch Faschismus.

Als der neue ÖVP-Innenminister Gerhard Karner vor wenigen Tagen angelobt wurde, geriet auch das Dollfuß-Museum im niederösterreichischen Texingtal in die Schlagzeilen. Denn Karner ist als Bürgermeister der kleinen Gemeinde auch verantwortlich für diese völlig unkritische Huldigungsstätte. Und der neue Innenminister ist bis heute nicht einmal zum Zugeständnis bereit, dass Dollfuß ein Diktator gewesen sei.

Auch die Hohe Wand liegt in Niederösterreich. Und nicht nur das Museum im Texingtal – auch die „Engelbert-Kirche“ ist für all jene einen Besuch wert, die austrofaschistische Relikte in Reinform erleben wollen.

Der heilige Engelbert

Offiziell gewidmet ist die austrofaschistische Gedenk-Kirche dem heiligen Engelbert – einem katholischen Erzbischof, der 1225 ermordet wurde. Doch die tatsächliche Widmung der Kirche ist eindeutig. Bereits die Schutzherrschaft für den Bau einer Kapelle, die an dieser Stelle ursprünglich geplant war, wurde laut Kirchengeschichte von Alwine Dollfuß übernommen, der Frau des Faschistenführers.

Als dann aber der austrofaschistische Diktator im August 1934 von nationalsozialistischen Konkurrenz-Faschisten ermordet wurde, sollte auf der Hohen Wand endgültig eine Weihestätte entstehen. Forciert von der austrofaschistisch-katholischen Einheitspartei „Vaterländische Front“ für ihren Führer, wie aus der Kirchengeschichte hervorgeht.

Ein „religiöses Nationalheiligtum“

Ein „religiöses Nationalheiligtum“ sei dann entstanden, heißt es in einer Broschüre, die in einem Schaukasten auf der Kirche angebracht ist. Und die Botschaften auf der Kirche sind bis heute mehr als eindeutig.

Wer sich der Kirche von der Seite nähert, wird bereits von einer großen Aufschrift mit den Zeilen „Dr. Dollfuss Gedächtnisstätte“ empfangen. Das gefällt allerdings nicht allen: Darunter hat jemand eine rote Fahne und das Wort „Antifa“ gesprayt.

„ . . . und Heil Hitler!“

An der Außenwand der Kirche gibt es dann noch weitere einschlägige faschistische Botschaften. So etwa eine Tafel „im frommen Gedenken an den Märtyrerkanzler Dr. Engelbert Dollfuss“. Märtyrerkanzler, das war ein beliebter Propagandaslogan der Austrofaschist*innen. Dazu die Inschrift, dass die Kirche „das religiöse Denkmal der Vaterländischen Front“ sei. Also eine Anbetungsstelle der damaligen faschistischen Einheitspartei.

Und schließlich der Hinweis, dass die Kirche unter Kanzler Kurt Schuschnigg und Erzbischof Theodor Innitzer errichtet worden sei. Wer diese beiden Herren sind, wird allerdings nicht ausgeführt – etwa zumindest mit einer erklärenden Tafel.

Ergänzen wir das: Schuschnigg war Nachfolger von Dollfuss als Kopf der austrofaschistischen Diktatur. Innitzer war bis 1938 ein zentraler Unterstützer der Austrofaschist*innen, bevor er dann schnell die Seiten wechselte. Den Anschluss an das nationalsozialistische Deutschland begrüßten die österreichischen Bischöfe unter Führung von Innitzer „aus innerster Überzeugung “ in einer „feierlichen Erklärung“. Innitzer fügte an den Begleitbrief für den „Reichskommissar für die Wiedervereinigung“ extra noch händisch hinzu: „ . . . und Heil Hitler!“

Zuerst: Dollfuß und Jesus

Solche erklärende Einordnungen fehlen an der Gedächtnisstätte allerdings vollständig. Hier gibt es – soweit von außen zu erkennen ist – kein kritisches Wort. Es wäre allerdings sehr überraschend, wenn es im Innenteil anders wäre, der nur zu besonderen Anlässen geöffnet wird.

Ursprünglich gab es in der Gedächtnisstätte für Dollfuß sogar ein Fresko, wo Dollfuß neben Jesus gemalt wurde. So steht es im Schaukasten. Das Fresko sei allerdings im Zuge der NS-Herrschaft zerstört worden. Der Maler hatte dort den Diktator „unter den Jesus umgebenden Märtyrern“ abgebildet.

Dann: Dollfuß wird Jesus

Die logische Konsequenz all dieser Heldenverehrung? Sie zeigt sich dann in der Krypta, die von außen einsehbar ist. Maria hält den toten Jesus in Händen (und zeigt sich dabei ziemlich kräftig!). Dahinter die Worte „Sein Leben war Arbeit, Seine Sendung war Kampf, Sein Wille war Friede: So starb er für Österreich“.

Nachdem hier vermutlich eher nicht gemeint ist, dass Jesus Christus „für Österreich“ gestorben wäre, ist damit wohl Diktator Dollfuß gemeint. Somit können dort jene, die zu Jesus oder Maria beten, praktischerweise gleichzeitig auch den Faschistenführer anbeten.

[Du kannst das folgende Banner wegklicken und danach weiterlesen. Du kannst über das Banner auch sehr gern künftige Recherchen mit Meinung und Haltung unterstützen.]

Der „Frieden“ des Faschismus

Offenbar war der Plan von Faschist*innen und Klerus, Dollfuß möglichst bald selig und dann heilig sprechen zu lassen. So hätte dann vor dem Altar ganz offiziell zum Heiligen Engelbert Dollfuß gebetet werden können. Dass dem Diktator allerdings unterstellt wird, dass sein „Wille“ Frieden gewesen wäre, kann dabei bestenfalls als absurd gelten.

Die christlich-sozialen Faschist*innen mit Dollfuß an der Spitze putschten immerhin im März 1933 gegen das Parlament – offensichtlich inspiriert von Hitlers Machtergreifung in Deutschland rund einen Monat davor. Im Bürger*innenkrieg des Februar 1934 schließlich ließ die Vorläuferpartei der ÖVP mit Kanonen auf Gemeindewohnungen und Arbeiter*innensiedlungen feuern – und zerbombte so die letzten Reste der bürgerlichen Demokratie in Österreich.

„Treues Gedenken“ des ÖVP-Bauernbundes für Dollfuß

In der ÖVP ist die Kirche offenbar durchaus bekannt. Und da sind wir im Jahr 2021. Denn auf einem Kranz rund um die Krypta ist bei einem Lokalaugenschein im Sommer 2021 ein Band mit Widmung des Niederösterreichischen Bauernbundes angebracht. Dabei handelt es sich immerhin um eine zentrale Teilorganisation der ÖVP. Text auf dem Band: „In treuem Gedenken“. Die faschistische Kirche ist damit offensichtlich keine Skurilität – sondern bis heute Wallfahrtsort für Teile der ÖVP.

Mit dem neuen Bundeskanzler Karl Nehammer hat am vergangenen Sonntag in einem Interview von ORF und Puls4 erstmals ein ÖVP-Chef das Dollfuß-Regime als „Austrofaschismus“ bezeichnet. Wohlgemerkt: Dazu hat die ÖVP seit dem Putsch im Jahr 1933 fast 90 Jahre gebraucht. Auch Nehammer hat dann aber sofort eine Relativierung und Rechtfertigung nachgeschoben, die medial leider etwas unterging: „Austromarxismus war eine große Bedrohung“. [Zu hören hier ab Minute 36:50, das Video ist auf der ORF-TVThek sieben Tage verfügbar.]

Warum der Februar 1934 heute weiter wichtig ist

Tatsächlich eignet sich der Austromarxismus der sozialdemokratischen Führung aber wohl keineswegs als Schreckgespenst: Über die gesamte Zeit der Ersten Republik hatte die SDAP auf immer eindeutigere faschistische Pläne zur Machtergreifung enorm passiv reagiert. Nach dem Putsch im Jahr 1933 und dem darauffolgenden Verbot von Schutzbund, KPÖ und Trotzkist*innen hatte die Sozialdemokratie sogar die Legalisierung der Diktatur angeboten (worauf die Partei vor allem in Wien zerfiel und die revolutionäre Opposition zunehmend an Einfluss gewann). Mehr dazu könnt ihr meiner Analyse zu den Februarkämpfen und dem Weg in den Februar lesen.

Nehammers Relativierung steht damit letztlich ebenso für das weiterhin ungeklärte Verhältnis der ÖVP zum Faschismus wie Innenminister Karners Museum. Das ist nicht nur eine historische Debatte. Denn jene wie Karner, die faschistische Diktaturen nicht einmal als solche benennen wollen, verraten uns damit auch viel über ihr aktuelles Weltbild. Und zwar nichts Gutes.

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