Was wir bisher über die Anschläge von Paris wissen

Bild: Michael Bonvalot

Hier haben wir die wichtigsten Fragen zusammengefasst und versucht, Antworten zu finden.

[Erstveröffentlichung: Vice] Gestern Abend haben mehrere Terroristen mindestens 140 Menschen in Paris getötet und viele weitere teils lebensgefährlich verletzt. Die meisten Menschen starben beim Anschlag auf das Veranstaltungslokal Bataclan im Ausgehviertel Oberkampf, wo gerade ein Konzert stattfand.

Was ist passiert?

Es gab vier weitere Anschläge an verschiedenen Orten in der Nähe, alle im Nordosten von Paris im Viertel rund um den großen Platz République. Ebenfalls angegriffen wurde das Stade de France, das größte Fußballstadion des Landes in Saint-Denis im Norden von Paris, wo gerade das Länderspiel Frankreich gegen Deutschland stattfand.

Wer sind die Opfer?

Was wir bis jetzt wissen, wurden die Menschen zufällig zu Opfern. Es hätte jede/n treffen können, der an diesem Tag in diesem Teil der Stadt unterwegs war oder zum Fußballspiel ging. Die Gegend um République ist ein beliebtes Viertel für einen Drink am Abend, in Oberkampf und am Canal Saint-Martin sind sehr viele Lokale und Restaurants. Viele junge Leute sind dort unterwegs.

Bild: Michael Bonvalot

An sich handelt es sich um ein traditionelles ArbeiterInnenviertel mit einem teilweise immer noch hohen Anteil von MigrantInnen, vor allem aus arabisch-nordafrikanischen Ländern, aus dem subsaharischen Afrika sowie aus China. Die Gegend wird in den letzten Jahren aber stark gentrifiziert, was zu einem Zuwachs von jungen und studentischen Menschen geführt hat. Die Täter müssen trotzdem den Tod von MuslimInnen zumindest in Kauf genommen haben. Auffallend ist, dass die Anschläge am Freitag ausgeführt wurden, der für gläubige MuslimInnen die gleiche Bedeutung hat wie für gläubige ChristInnen der Sonntag.

Die Anschläge richteten sich gegen Ziele, die im Fokus der Gotteskrieger stehen: bestimmte Formen von Musik, ausgelassenes Fortgehen und auch Fußball, der von FundamentalistInnen oft abgelehnt wird.

Wer waren die Attentäter?

Es gibt derzeit offiziell keine überlebenden Attentäter. Laut der Pariser Tageszeitung Libération bekennt sich die Miliz IS zu den Anschlägen. Möglicherweise wurde ein mutmaßlicher Mittäter bereits vor einigen Tagen in Bayern verhaftet.

Warum Frankreich?

Wenn man die Täter nicht kennt, kann man über die Beweggründe nur mutmaßen. Ein Grund, warum Frankreich ins Visier von Terroristen gelangt, könnte die Tatsache sein, dass das Land derzeit im Krieg in Syrien engagiert ist. Französische Flugzeuge fliegen laufend Angriffe auf Ziele der IS-Miliz. Frankreich greift immer wieder in Konflikte in Afrika und dem Nahen Osten, etwa als Teil der westlichen Truppen im Golfkrieg gegen den Irak, in Mali, Libyen oder jetzt in Syrien ein. Außerdem hat Frankreich in vielen Ländern Westafrikas Truppen stationiert. Erst am Donnerstag hat Präsident FrançoisHollande die Entsendung des Flugzeugträgers Charles de gaulle samt Begleitschiffen nach Syrien angekündigt.

Welche Reaktionen gibt es in Frankreich?

Der sozialdemokratische Präsident François Hollande spricht von einem Kriegsakt. Sein konservativer Konterpart, Ex-Präsident Nicolas Sarkozy , fordert einen „totalen Krieg“. Der rechtsextreme Front National von Marine Le Pen hat bisher keine Stellungnahme abgegeben, aber für 15 Uhr zu einer Pressekonferenz eingeladen.

Die großen linken Parteien, etwa die Nouveau Parti anticapitaliste (NPA; deutsch Neue Antikapitalistische Partei) oder die Lutte Ouvrière (LO; deutsch Arbeiterkampf) betrauern die Opfer und warnen vor einer „nationalen Einheit“, die nur den Rechten nütze. In Paris sind bis kommenden Donnerstag alle Demonstrationen untersagt.

Welche Reaktionen gibt es in Österreich und international?

Viele österreichische und internationale PolitikerInnen und bekannte Persönlichkeiten haben ihr Mitgefühl mit den Opfern und ihren Angehörigen ausgedrückt. Einzelne PolitikerInnen forderten eine Verstärkung des Überwachungsstaats.

Gleichzeitig findet die Syrien-Konferenz in Wien wie geplant statt. Hier verhandeln unter anderem auch die Regierungen von Saudi Arabien und der Türkei, die mit der NATO und den USA verbündet sind. Diesen Ländern wird oftmals der Vorwurf gemacht wurde, die IS und andere fundamentalistische Gruppen logistisch bzw. finanziell zu unterstützen.

Gab es weitere Anschläge?

Der Terror der IS-Miliz ist international. In Beirut, der Hauptstadt des Libanon, starben am Freitag mindestens 43 Menschen bei zwei Anschlägen der Terrormiliz IS, mindestens 239 wurden verletzt. Hier waren die Opfer vorwiegend oder möglicherweise sogar ausschließlich MuslimInnen.

Was bedeuten die Anschläge für Flüchtlinge?

Einzelne rechtsextreme Seiten im Netz haben bereits die Aufnahme von Flüchtlingen mit den Anschlägen von Paris verknüpft. Der designierte polnische Europa-Minister Konrad Szymanski sagt, dass nach den Anschlägen von Paris Flüchtlings-Quoten, also eine Aufteilung von Flüchtlingen, nicht akzeptabel wäre.

Dass viele Flüchtlinge aus Afghanistan, dem Irak, Pakistan, Somalia oder Syrien genau diesen fundamentalistischen Terror erlebt haben und davor fliehen, wird ignoriert. Wer jetzt verstärkt gegen MuslimInnen vorgeht, besorgt auch das Spiel der FundamentalistInnen. Denn diese profitieren genau vom Unrechtsgefühl, das sich nach einer Pauschal-Verurteilung breit machen würde.

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