»Wie in einem Kriegsgebiet«

Flüchtlinge gehen am 26.07.2015 in Traiskirchen gegen die unmenschlichen Bedingungen auf die Straße. Bild: Michael Bonvalot

[jw] Österreich: Flüchtlinge protestieren gegen katastrophale Situation in Aufnahmelager

[Erstveröffentlichung: junge welt] Österreich erlebt in diesen Tagen den heißesten Sommer seit Beginn der meteorologischen Aufzeichnungen. Die Bevölkerung stöhnt unter der Hitze, immer wieder setzen starke Gewitter ein. In dieser Situation haben die Zustände im zentralen Flüchtlingsaufnahmezentrum Traiskirchen für die Insassen die Grenze des Erträglichen überschritten. Die gehen nun für ihre Rechte auf die Straße. Am 20. und am 26. Juli demonstrierten jeweils mehrere hundert Flüchtlinge und Unterstützer gegen die Zustände im Lager und für das Recht auf Asyl.

Über 4.000 Menschen leben derzeit auf engstem Raum im Lager Traiskirchen, es gibt allerdings nur für 2.300 von ihnen Betten – davon knapp 500 in Zelten. Alle anderen müssen im Freien auf dem Boden schlafen, im besten Fall ausgestattet mit gespendeten Schlafsäcken und Zelten. Es mangelt an Essen, die medizinische Versorgung ist nicht ausreichend, die Sanitäreinrichtungen sind in einem miserablen Zustand.

Shabir Hussain, der aus Pakistan in das Lager gekommen ist, berichtete am Sonntag gegenüber junge Welt vom Protest der Insassen über die Zustände: »Viele Leute im Lager sagen, dass sie gerade aus einem Krieg kommen, aber es hier immer noch aussieht wie in einem Kriegsgebiet.« Er erzählt auch, dass es keinerlei Privatsphäre im Lager gäbe, keine Möglichkeit, persönliche Gegenstände zu verwahren, und dass die Menschen den extremen Wetterbedingungen schutzlos ausgeliefert seien. Der ebenfalls aus Pakistan stammende Mohammad Numan Jhammat, der vor drei Jahren im Lager lebte und nun die Proteste der Insassen unterstützt, ergänzte, dass die hygienische Situation vor allem für Frauen untragbar wäre.

Traiskirchen gilt in Österreich als Inbegriff für die verfehlte Flüchtlingspolitik der Republik. Dass die 20.000-Einwohner-Gemeinde im Bundesland Niederösterreich durch ein Lager mit über 4.000 Menschen infrastrukturell überfordert ist, stellt niemand in Frage. Die Einwohner sind zunehmend verzweifelt und fühlen sich im Stich gelassen, die Stimmung droht zu kippen. Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ) setzt sich zwar für einen menschlichen Umgang mit den Flüchtlingen ein, wurde aber von Flüchtlingsnetzwerken auch kritisiert, nachdem er gefordert hatte, Demonstrationen in Traiskirchen zu untersagen.

Bundesweit wird die Situation der Flüchtlinge derweil immer stärker für rassistische Hetze missbraucht. Die konservative Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ließ etwa erstmals im Mai dieses Jahres Zelte aufbauen, anstatt feste Unterkünfte bereitzustellen. Das war kurz vor den Landtagswahlen Ende Mai in den sozialdemokratisch regierten Bundesländern Steiermark und Burgenland. Begleitet wurde das von einem medialen Trommelfeuer über die Höhe der Flüchtlingszahlen. Im konservativ regierten Oberösterreich hingegen, wo im Herbst Wahlen anstehen, werden die Zelte nun abgebaut. Stimmengewinne hat diese Politik Umfragen zufolge allerdings nur der rechtsextremen FPÖ gebracht. Die Sozialdemokratie ist in der Flüchtlingsfrage gespalten. Während das rot-grüne Wien weiter Flüchtlinge aufnimmt, ist der rechte Sozialdemokrat Hans Niessl im Burgenland nach der Wahl eine Koalition mit der FPÖ eingegangen. Er forderte auch bereits den Einsatz des Heeres gegen Flüchtlinge.

Aus der Bevölkerung heraus gibt es derzeit gleichzeitig viele private Initiativen, die die Flüchtlinge unterstützen. Und auch die Flüchtlinge selbst organisieren sich zunehmend. Numan Jhammat betonte gegenüber jW: »Demonstrationen geben uns und unseren Anliegen öffentliche Sichtbarkeit. Jeder muss erfahren, wie die Zustände im Lager sind.«

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