Wie Rot-Grün in Wien die Mindestsicherung kürzt

Von der Kürzung der Mindestsicherung in Wien werden vor allem junge Menschen betroffen sein.

Nun wird also auch in Wien die Mindestsicherung gekürzt. Konkret sind folgende Verschlechtungen geplant:

♦ Bei jungen Menschen zwischen 21 und 25, die im Elternhaus wohnen, wird die Mindestsicherung auf 75 % gekürzt. Wenn die jungen Menschen arbeitslos bzw. nicht in Ausbildung oder einer Schulung sind, wird der Betrag sogar um die Hälfte auf 50 % gekürzt.

In Debatten in sozialen Netzwerken wird nun von grüner Seite argumentiert, dass es eine zumutbare Veränderung wäre, wenn die Zuwendung gekürzt wird, da diese jungen Menschen noch zu Hause leben. Das verschweigt allerdings den Punkt, das es hier ja um das Familieneinkommen geht, das um diesen Betrag sinkt. Und natürlich brauchen junge Menschen, die zu Hause wohnen, auch zusätzlichen Wohnraum, Energie und Lebensmittel.

Besonders betroffen sind somit Familien, wo die jungen Menschen offenbar besonders wenig Chancen haben. Prinzipiell wäre es natürlich zu begrüßen, diese jungen Menschen vermehrt zu motivieren und ihnen Möglichkeiten zu Beschäftigung und Ausbildung zu eröffnen. Doch gerade in diesem Bereich gibt es eine enorm hohe Arbeitslosigkeit. Das Problem wird somit auf die Betroffenen abgeschoben und in vielen Fällen zu drastischen Kürzungen führen.

Update 17.17h: Auch junge Menschen zwischen 21 und 25, die allein wohnen, sind von Änderungen betroffen. Wenn sie sich nicht in Ausbildung oder Beschäftigung befinden, bekommen sie statt € 837,76 nur noch € 628,32 (Stand 2017). Der Rest ist ein Ergänzungsbetrag. Birgit Hebein, Sozialsprecherin der Grünen, sagt in einem Telefonat, dass das dann gelten würde, wenn es ein “adäquates Angebot” gäbe, das nicht angenommen würde. Sie weist darauf hin, dass die Mindestsicherung auch bisher bei Verweigerung von Maßnahmen gekürzt werden konnte. Es würden auch “6.700 zusätzliche Angebote an Ausbildung, Beschäftigung und Qualifizierung für junge Menschen bis 25 Jahre” geschaffen. AntragstellerInnen hätten vier Monate Zeit, Ausbildung, Schule, Kursmaßnahmen oder Beschäftigung aufzunehmen, andernfalls entfällt die Ergänzung.

♦ AMS-Sperren sollen nicht mehr durch die Mindestsicherung ausgeglichen werden können. Sanktionen sollen “zeitnaher und effektiver”erfolgen. Das deutet auf eine Zunahme von Sanktionen hin. Der fehlende Ausgleich der meist 6-wöchigen Sperren bedeutet keinerlei Geld für Lebensmittel, Miete, Energie.

♦ Geldleistungen können möglicherweise vermehrt in Sachleistungen umgewandelt werden. Der diesbezügliche Passus im Text ist etwas unklar: “Bisher gibt es in der Wiener Mindestsicherung mit der Energieunterstützung eine konkrete und sinnvolle Sachleistung, um bei Wohnen und Energie nachhaltig unterstützen zu können. Aufbauend darauf sollen mit der neuen Wiener Mindestsicherung weitere Sachleistungen eingeführt werden …”

Eine direkte Überweisung von Miete und Energiekosten wäre eine durchaus diskussionswürdige Veränderung, denn die Erhaltung des Wohnraums und der Energiezufuhr sind grundlegende Notwendigkeiten. Doch es wird zu beobachten sein, was mit “weiteren Sachleistungen” gemeint ist.

♦ Bisher bekamen arbeitsunfähige Menschen mit Mindestsicherung Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Das wird laut ORF gestrichen. [Update 15:29h: der ORF hat den Artikel nun verändert und dabei diese Passage gestrichen. Doch die Streichung dürfte fix sein. Die bisherige Regelung war: “Volljährige Personen, die von einer Amtsärztin beziehungsweise einem Amtsarzt für mindestens ein Jahr für arbeitsunfähig befunden wurden, erhalten pro Jahr zusätzlich zwei Sonderzahlungen in der Höhe des Mindeststandards.” Die neue lautet: “Wer vorrübergehend (sic!) arbeitsunfähig ist, erhält Zugang zum Case Management der WGKK und hat damit wieder die Möglichkeit, Anschluss an den Arbeitsmarkt zu finden. Wer Zugang zu diesen Leistungen erhält, hat keinen Anspruch auf Sonderzahlungen.”]

Update 17.17h: Birgit Hebein von den Grünen sagt, dass diese Änderung rund 1000 bis 2000 chronisch kranke Menschen betreffen würde. Diese würden nun Zugang zu Rehab-Maßnahmen bekommen. Im Gegenzug  würden während der Rehab-Maßnahmen die Sonderzahlungen, also Urlaubs- und Weihnachtsgeld, gestrichen.

Der Volltext der Änderungen kann hier nachgelesen werden. Im Entwurf sind auch einige Verbesserungen angekündigt, etwa ein Bonus für Personen, die neben der Mindestsicherung arbeiten.

Reaktion auf Grundbedürfnisse geflüchteter Menschen

Doch insgesamt war das Ziel der Änderung eindeutig, die Kosten für die Mindestsicherung im Budget zu senken. Es muss also davon ausgegangen werden, dass die Änderungen nicht kostenneutral sein werden, sondern dazu dienen, insgesamt weniger Geld an die Betroffenen auszuzahlen. Ein wesentlicher Hintergrund der Diskussion ist, dass immer mehr Bundesländer die Mindestsicherung gekürzt haben. Der Fokus waren dabei zumeist Verschlechterungen für Flüchtlinge und kinderreiche Familien (mutmaßlich mit der Überlegung, dass dies vermehrt MigrantInnen treffen würde)

Die Kürzungen waren teils buchstäblich existenzbedrohend, die Folge war ein verstärkter Zuzug insbesondere von geflüchteten Menschen nach Wien. Jetzt ist Wien also nachgezogen. Wien hat nun keinen Schwerpunkt auf Flüchtlinge gesetzt. Doch natürlich sind auch in der Bundeshauptstadt diese Gruppen stark von den Verschlechterungen betroffen – einfach, weil auch MigrantInnen und Flüchtlinge die Mindestsicherung beziehen.

Grüne Kürzungen in den Ländern

Das Problem der Wiener Budgetknappheit haben sich allerdings insbesondere die Grünen selbst eingebrockt. Die Grünen sitzen als Juniorpartnerin der ÖVP in den Landesregierungen von Vorarlberg, Salzburg und Tirol. Sie waren an der Kürzung der Mindestsicherung in diesen Ländern beteiligt. In Tirol verantwortlich war sogar die neue grüne Bundessprecherin, Ingrid Felipe.

All jene, die diese Kürzungen nun als verträglich und Kunst des Machbaren verteidigen, werden sich natürlich auch fragen lassen müssen, ob sie selbst wissen, wie es ist, mit einer Familie und der Mindestsicherung auskommen zu müssen. Und schließlich steht natürlich die Frage im Raum, ob in einem der reichsten Länder der Welt mit mehr als 100.000 Euro-MillionärInnen die Ärmsten der Armen tatsächlich die logische Zielgruppe für Kürzungen sind.

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