Biertonnen, Terror und Faschismus

[FM4] Deutschnationale Burschenschaften spielen eine zentrale Rolle in der rechten Szene.

[Erstveröffentlichung: FM4, 30.01.2017] Seit vielen Jahren fühlen sie sich vom Zeitgeist verfolgt: Burschenschaften. Doch deutsch und treu leisten sie Widerstand, zerschneiden sich gegenseitig das Gesicht und folgen absurden Ritualen aus vorigen Jahrhunderten. Ideologisch haben sie dabei eine klare Stoßrichtung: „8. Mai – Kein Fest der Freude“ titelte etwa die einschlägig bekannte Wiener Burschenschaft Teutonia anlässlich des Jahrestags der Befreiung vom Nationalsozialismus am 8. Mai 2015.

Einmal im Jahr wird dann das Tanzbein geschwungen: Auf den Akademikerbällen in Wien und Graz und am Burschenbundball in Linz geben sich die deutschnationalen Burschenschafter die Ehre und führen ihre Begleitung zum Rechtswalzer. Das Wort Burschenschaft darf dabei als übergeordneter Begriff verstanden werden.

Alles Burschenschaften?

Korrekt müsste eigentlich von völkischen Studenten-Verbindungen gesprochen werden, die unter sehr verschiedenen Namen auftreten: Burschenschaften, Landsmannschaften, Sängerschaften, Corps, Turnvereine, Jägerschaften, Vereine Deutscher Studenten. Für Schüler gibt es eigene Pennälerverbindungen, die bereits sehr junge Burschen in deutschnationale Verbindungen holen. Mädchen und Frauen organisieren sich in Mädelschaften, die allerdings nicht satisfaktionsfähig sind, also im Gegensatz zu den Männern keine Mensur fechten.

In jüngerer Zeit bekommen gerade die Frauen-Verbindungen stärkeren Zulauf. Innerhalb der Szene sind sie zumeist auf klassische Frauen-Rollen festgelegt, wie Kochen und Ballbegleitung.

Frauen spielen eine gewisse Rolle in der Außenwirkung, müssen allerdings grundlegend Männern in der rassistischen und nationalistischen Gesinnung um nichts nachstehen.

Schließlich muss man die deutschnationalen Studierenden-Verbindungen von den katholischen Verbindungen, den Kartell-Verbänden, unterscheiden. Letztere können zwar auch weit rechts stehen, finden sich in diesem Fall allerdings eher in der Traditionslinie des Austrofaschismus als in der des Nationalsozialismus.

Elitär und gediegen

Hier soll es allerdings um die deutschnationalen Verbindungen gehen. Der Rahmen ihrer Veranstaltungen, Bälle und Räumlichkeiten ist meist ehrwürdig, gediegen und elitär. In Graz ist es beim Akademikerball der Congress, in Linz das Palais des kaufmännischen Vereins, in Wien sind es die Prunksäle der Hofburg. Die Gäste sind zumeist gebührend beeindruckt.

Für Parteimitglieder der FPÖ, von Parteichef Heinz-Christian Strache abwärts, gehört die Teilnahme an einem der Bälle zum guten Ton. Für das internationale Flair sorgten in vergangenen Jahren etwa Marine und Jean-Marie Le Pen vom französischen Front National, Filip Dewinter vom belgischen Vlaams Belang, der russische Rechtsextreme und Putin-Vordenker Alexander Dugin oder Ex-Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling. Solch hochkarätige rechte Gäste sind kein Zufall.

Klein, aber einflussreich

Auf den ersten Blick mag das überraschen, denn die Anzahl der Burschen- und Mädelschaften ist überschaubar: Das gesamte Milieu umfasst „deutlich unter 5.000 Personen“, sagt Bernhard Weidinger, da sind die aus dem aktiven Dienst ausgeschiedenen „Alten Herren“, „Hohen Damen“ sowie „Pennäler“, also Schüler-Verbindungen schon mitgerechnet. Doch die Burschenschaften begreifen sich als Elite und als Kader-Gruppe.

Ihren Einfluss festigen sie vor allem über ihre Rolle als ideologisches Rückgrat der FPÖ. Die Zahlen sprechen für sich: Laut Weidinger stammen zumindest 22 von 37 Mitgliedern des Bundesparteivorstands der FPÖ aus Studierenden-Verbindungen, im Parlament sind es mindestens 17 von 38 Abgeordneten, im Wiener Gemeinderat mindestens 12 von 34. Allein die Burschenschaft Aldania aus Wien-Margareten stellt im Wiener Gemeinderat zumindest 6 Mitglieder, könnte also bereits Klubstatus beantragen.

Auch die bereits erwähnte Teutonia ist in den Gremien der Partei gut vertreten. Reinhard Bösch, Alter Herr der Verbindung, ist Abgeordneter zum Nationalrat, Bundesparteivorstandsmitglied und Vorsitzender der FPÖ in Vorarlberg. Unter FPÖ-Parteiobmann Heinz-Christian Strache, selbst Mitglied der Schüler-Verbindung Vandalia Wien, hat der Einfluss der Korporierten sogar zugenommen. Verantwortlich dafür ist nicht zuletzt die Erfahrung der FPÖ mit der sogenannten „Buberl-Partie“ rund um Jörg Haider.

Schluss mit Bubi

Jörg Haider und seine Buberl-Partie – eine Gruppe von ideologisch wenig standfesten Karrieristen – stürzte in den 2000er Jahren die FPÖ in eine handfeste Krise, mehrere Spaltungen inklusive. Das sollte nicht noch einmal passieren. Daher nahmen die Burschenschaften, deren Kandidat Strache gewesen war, die Zügel der FPÖ nach 2005 fester in die Hand. Strache darf dabei selbst als exemplarisches Beispiel für die Verbindungen von Rechtsextremismus, Burschenschaften und FPÖ gelten.

Politisch sozialisiert wurde der junge Vandale Strache unter anderem im Umfeld von Norbert Burger, Mitglied der einschlägig bekannten Burschenschaft Olympia, Südtirol-Terrorist und ehemaliger Vorsitzender des Rings freiheitlicher Studenten. Für Strache war Burger laut dessen Aussage „eine Art Vaterersatz“.

Damals nahm Strache unter anderem auch an einer Wehrsport-Übung der „Volkstreuen Außerparlamentarischen Opposition“ von Gottfried Küssel teil, selbst Mitglied der Akademischen Turnerschaft Danubo-Markomannia. (Strache hat laut eigener Aussage seine Teilnahme am Wehrsportlager abgebrochen). Kurz danach trat Strache der FPÖ bei und machte dort schnell Karriere. Doch seine Sozialisation in der Burschenschaft hat er nie vergessen und tritt heute noch bei verschiedenen Gelegenheiten mit der traditionellen Kopfbedeckung seiner Verbindung, der Biertrommel, auf.

Manchmal dient diese Mütze sogar als doppelte Botschaft: Als Strache vor einigen Jahren die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem besuchte, sollte das für eine breitere Öffentlichkeit eine Abkehr vom Antisemitismus demonstrieren. Dass er dabei allerdings anstelle einer Kippa die Biertrommel seiner völkischen Verbindung trug, soll laut Standard in der Burschenschafter-Szene für Schenkelklopfer gesorgt haben.

Anschlag geht schief

Die Olympia von Straches Vaterersatz Norbert Burger galt und gilt als eine der wichtigsten burschenschaftlichen Schaltstellen im gesamten deutschsprachigen Raum. Wegen ihrer zentralen Rolle im Südtirol-Terror der 1960er Jahre wurde sie eine Zeit lang sogar behördlich aufgelöst. Auch als im Jahr 1961 Schüsse auf das Parlament abgegeben wurden, gab es Verbindungen ins burschenschaftliche Milieu und zur Olympia.

Am Tatort wurde laut „Stoppt die Rechten“ ein Karton mit der Aufschrift „Die deutschen Burschenschaften werden kämpfen“ gefunden. Verurteilt für diesen und zahlreiche andere Anschläge wurde unter anderem Gerd Honsik, Mitglied der Burschenschaft Markomannia und bis heute in der Neonazi-Szene aktiv. Manche der Begebenheiten rund um die Attentate lesen sich dabei unfreiwillig absurd.

So gab Honsik bei der polizeilichen Einvernahme zu einem Attentat auf die italienische Botschaft zu Protokoll: „Wir fuhren mit meinem Wagen in die Magazinstraße und starb mir der Motor dort ab. Da der Wagen trotz anschieben nicht ansprang, ließen wir ihn vor erst in der Magazinstraße stehen und gingen zu dem Würstelmann auf dem Rennweg, wo wir uns Heiße kauften. (…) Es gelang uns den Wagen anzuschieben und sprang der Motor an.“ Schließlich gelang der Anschlag doch noch. Ein anderes Mal hielt Honsik ein Sprengstoffpaket mit brennender Lunte zu lange fest. Die Folge waren Schmauchspuren im Gesicht und Brandwunden an der Hand und am rechten Fuß.

Die Verknüpfung von Rechtsterrorismus und Burschenschaften sollte sich weiter fortsetzen. So führte im Zuge der Ermittlungen rund um die Briefbomben-Serie der 1990er Jahre eine ganze Reihe von Spuren ins burschenschaftliche Milieu. Unter anderem wurde damals auch das Verbindungshaus der Teutonia durchsucht. Franz Radl, damals Mitglied der Teutonia, mehrmals wegen Wiederbetätigung verurteilt und bis heute einer der zentralen Neonazi-Kader des Landes, wurde sogar vor Gericht gestellt.

Burschenschaften und rechter Terror

Ebenfalls ins Visier der Ermittler geriet die Aula, die Zeitung der freiheitlichen Akademikerverbände. Sie galt und gilt als Sprachrohr der Burschenschaften, ihre gesamte Abonnentenkartei wurde damals beschlagnahmt. Diese Spurensuche führte allerdings zu keinen gerichtsfesten Ergebnissen, auch Radl wurde freigesprochen.

Für die Briefbombenanschläge, sowie für den Mord an vier Menschen im Burgenland wurde später Franz Fuchs als Einzeltäter verurteilt. Ob Fuchs tatsächlich alleine gehandelt hat, wird allerdings von verschiedenen Stellen immer wieder infrage gestellt.

Das Mahnmal für die Ermordeten in Oberwart

Radl spielte noch ein anderes Mal eine wichtige innenpolitische Rolle, allerdings ist dies kaum bekannt: Viele Menschen kennen das Bild, wo FPÖ-Chef Strache den sogenannten „Kühnen-Gruß“ („Drei Bier“) zeigt. Weit weniger bekannt ist allerdings, dass Strache damals auf diese Weise Franz Radl begrüßte

Die „Ostmärker“

Dass gerade die Teutonia aus der Wiener Josefstadt immer wieder im Zusammenhang mit Rechtsextremismus auftaucht, ist keineswegs Zufall. In den Neunziger Jahren schrieb das „Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands“ über die Teutonia, sie sei eine „Hochburg der militant-rechten Wiener Szene“. Die Wiener Verbindung ist innerhalb des „korporierten“ Milieus auch keineswegs eine Randerscheinung, 2013 übernahm sie sogar den Vorsitz des deutschsprachigen Dachverbands „Deutschen Burschenschaft“ (DB).

Sie reiht sich damit in eine ganze Reihe „ostmärkischer“ (wie sie intern gern genannt werden) Verbindungen, die den Vorsitz der DB innehatten. Die österreichischen Verbindungen gehören dabei zumeist der „Burschenschaftlichen Gemeinschaft“(BG) innerhalb der DB an. Diese gilt als die Fraktion der am weitesten rechts stehenden Verbindungen innerhalb der bereits selbst rechtsextremen „Deutschen Burschenschaft“.

Infrastruktur und Rückzugsort

Die Burschenschaften übernehmen in der rechten Szene vielfältige Aufgaben. Sie sind Personal-Reservoir für die FPÖ, sie haben eine Scharnierfunktion zwischen dem parlamentarisch anerkanntem Rechtsextremismus der FPÖ und dem Neonazismus und ihre Veranstaltungen, etwa die Burschenschafter-Bälle, sind wichtige Vernetzungsorte. Schließlich sollte auch ihre zentrale Bedeutung für die Infrastruktur der rechten Szene nicht unterschätzt werden.

Allein in Wien gibt es rund zwei Dutzend Verbindungsheime, oft sogar mit einem angeschlossenen Studentenheim (ein neues Video dazu könnt ihr hier finden). Ein gutes Beispiel für den Umfang dieser Infrastruktur ist das Schulvereinshaus in der Fuhrmannsgasse in Wien-Josefstadt.

Das Schulvereinsgebäude in Wien-Josefstadt

Zentral und nahe der Universität Wien gelegen treffen sich in diesem Gebäude unter anderem die „Österreichische Landsmannschaft“, mehrere Burschenschaften sowie die Mädelschaft Freya. Auch die „Identitäre Bewegung“ (IB), die laut Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands als neofaschistisch bezeichnet werden kann, hat hier bereits Veranstaltungen abgehalten. Und gerade für die IB spielen Burschenschaften eine zentrale Rolle.

Identitäre Burschenschafter

Denn im Kern der Identitäten Bewegung finden sich zahlreiche Mitglieder von völkischen Studenten-Verbindungen. So ist etwa Ex-Obmann Alexander Markovics Mitglied der Burschenschaft Olympia. In Linz ist der Keller der einschlägig bekannten Arminia Czernowitz sogar gleichzeitig das offizielle Zentrum der IB.

Ex-IB-Obmann Markovics (3 v.r.) im Wahlkampfeinsatz für Norbert Hofer

In Wien sind zahlreiche Mitglieder der Identitären bei der Universitäts-Sängerschaft „Barden zu Wien“ untergekommen, die auch als informelle Anlaufstelle der Gruppe gelten darf. Das zeigte sich etwa im Juni vergangenen Jahres, als ein Aufmarsch der Identitären auf der Bude der Barden endete, wie dieses Video zeigt.

Gleichzeitig sind die Burschenschaften auch ein wichtiger Vernetzungsort zwischen den akademischen Eliten und der sogenannten bürgerlichen Mitte. In Linz etwa trat sogar Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) trotz zahlreicher Proteste in den vergangenen Jahren immer wieder am Burschenbundball der völkischen Korporationen auf.

In der „Mitte“

Realpolitisch gibt es hier oft mehr Überschneidungen, als gemeinhin vermutet wird. Einerseits gibt es zum Beispiel beim Wunsch, stärker gegen Flüchtlinge und Migrantinnen vorzugehen, durchaus Schnittmengen mit ÖVP und SPÖ. Andererseits sprechen die Burschenschaften öffentlich interessanterweise sehr oft von Deutschtum und Flüchtlingen, deutlich weniger oft aber über ihre wirtschaftspolitischen Ideen. Hier kann etwa Oberösterreichs FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner, Mitglied der Burschenschaft Corps Alemannia Wien zu Linz, als Beispiel gelten.

Als im September 2015 eine von ihm herausgegebene Publikation mit dem Titel „Mut zur Wahrheit“ bekannt wurde, bekam das Image der „sozialen Heimatpartei“ deutliche Risse. Erhöhung des Pensionsantrittsalters, niedrigere Pensionen, Verschlechterungen beim Krankenstand waren laut „Stoppt die Rechten“ nur einige Forderungen aus dieser eindeutig neoliberalen Publikation.

Vermehrter Widerstand

Konnten die Burschenschaften allerdings früher ihrer Rolle als Kader-Reserve weitgehend im Verborgenen gerecht werden, stoßen ihre Veranstaltungen heute zunehmend auf Öffentlichkeit und Widerstand. Vor allem die großen Demonstrationen der „Offensive gegen Rechts“ und von „NoWKR“ gegen den Wiener Akademikerball hatten daran maßgeblichen Anteil.

Käthe Lichtner von der Offensive gegen Rechts (OGR) kündigt weitere Aktivitäten an: „Die äußerst knappe Niederlage der FPÖ bei den Präsidentschaftswahlen hat gezeigt, wie stark die Rechten in diesem Land sind. Wir betrachten das als einen Auftrag zum Widerstand.“ Es ist also auch in Zukunft mit Protesten gegen Burschenschaften und Rechtsextremismus zu rechnen.

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