FP-Haimbuchner will „natürlich im Sozialbereich sparen“

Bei der Präsentation des neuen Wirtschaftsprogramms in der ZIB2 fordert der stellvertretende FPÖ-Bundesparteiobmann verstärkten Sozialabbau. Kritischen Nachfragen weicht er aus.

Manfred Haimbuchner ist stellvertretender Bundesparteiobmann der FPÖ und Landeshauptmann-Stellvertreter in Oberösterreich. Er gilt innerhalb der FPÖ als zentraler Verbinder in die Wirtschaft und zur Industriellenvereinigung. Anlässlich der Präsentation des neuen Wirtschaftsprogramms der FPÖ am 23. August war Haimbuchner in der Zeit im Bild 2 zu einem Interview mit Armin Wolf eingeladen. Erstaunlich offen sprach er dabei über die Sozialabbau-Wünsche der FPÖ. Ein Transskript mit Erläuterungen.

Wolf: „Ich begrüße jetzt einen der Mitautoren dieses Programms, den freiheitlichen Vize-Parteichef Manfred Haimbuchner in unserem Studio in Linz. Guten Abend!“

Haimbuchner: „Ein herzliches Grüß Gott, einen schönen guten Abend nach Wien!“

Wolf: „Herr Landeshauptmann-Stellvertreter sie haben dieses Programm mitgeschrieben, zwei der ganz zentralen Punkte sind eine Senkung der Abgabenquote auf unter 40 % und ein Nulldefizit. Jetzt war die FPÖ ja schon einmal sieben Jahre in einer Bundesregierung. In diesen sieben Jahren gab es nie ein Nulldefizit und nie eine Abgabenquote von unter 40 %. Warum sollte es der FPÖ in einer künftigen Regierung gelingen?“

Haimbuchner: „Also erstens einmal, ich habe es nicht mitverfasst oder mitgeschrieben dieses Programm, sondern ich war ein Ideengeber. Es haben hier Experten mitgearbeitet und sie müssen eher der ÖVP und auch der SPÖ die Frage stellen, warum Österreich sich in einem so einem Zustand befindet. Und übrigens, wir in Oberösterreich, ich weiß, das ist ein bundespolitisches Programm, aber wir in Oberösterreich werden gemeinsam mit unserem Regierungspartner das Nulldefizit 2018 anstreben.“

[Anmerkung: eine Senkung der Abgabenquote bedeutet unter anderem weniger Steuern für Unternehmen und weniger Sozialabgaben, beispielsweise Arbeitgeberbeiträge zur Pensions-, Kranken- und Unfallversicherung]

Wolf: „Gut, jetzt nach wie vor gibt’s kein Nulldefizit in Oberösterreich, war schon für 2016 angekündigt und es ist höher geworden als es noch geplant war, aber bleiben wir beim Bund. Sie wollen 12 bis 16 Milliarden im Jahr einsparen. Wie sie das machen, das bleibt in diesem an sich sehr detaillierten Programm aber sehr sehr allgemein. Da steht zum Beispiel ,Optimierung der Sozialausgaben 3,8 Milliarden‘. Wo sie das hernehmen, steht nirgendwo.“

Haimbuchner: „Ah … Das versteh ich nicht, Herr Wolf, da haben sie offensichtlich das Programm nicht gelesen, denn es steht [Einwurf Wolf: „Sehr genau sogar!“] ganz am Beginn des Programms, dass wir hier mit verschiedenen Experten und Instituten zusammengearbeitet haben, die sind auch ganz genau angeführt und eine Reihe von Gegenfinanzierungsvorschlägen beruhen ja auch auf Vorschlägen des Rechnungshofes.

Und ich sage ihnen schon ganz offen und ehrlich, natürlich kann man auch im Sozialbereich einsparen, wenn einmal ordentlich kontrolliert wird. Und man sieht ja gerade auch in der SPÖ-regierten Stadt Wien, wie hier die Schulden angestiegen sind in den vergangenen Jahren, wie die Mindestsicherung aus den Rudern läuft. Hier haben wir, dort wo wir Verantwortung tragen, schon entsprechend entgegengesteuert. Und es gibt absurde Fälle in Österreich. Ich habe erst heute gehört von einem Experten, der mich vor dem Interview angerufen hat [Einwurf Wolf: „Herr  Haimbuchner, wir wollen ja über ihr Programm reden.“] und hat mir gesagt, es gibt sogar Leute, die im Ausland ein Millionenvermögen haben und dann in Österreich Notstandshilfe kassieren, das geht, weil die Transparenz nicht entsprechend vorhanden ist. Man muss einmal ordentlich kontrollieren. Man kann schon sparen, andere Länder können auch sparen, warum soll´s Österreich nicht schaffen? Den Willen braucht man ganz einfach, mutig muss man sein.“

Wolf: „Gut, ich habe das Programm sehr genau gelesen, heute den ganzen Nachmittag lang. Da gibt es zum Beispiel eine ganz konkrete Maßnahme ,Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger‘, alte FPÖ-Forderung. Da wollen sie sparen. Was glauben Sie denn, wie hoch der Verwaltungsaufwand momentan bei den vielen Sozialversicherungsanstalten insgesamt ist?“

Haimbuchner: „Also, es gibt 21 Sozialversicherungsanstalten in Österreich, Herr Wolf und dort sind insgesamt 28 000 Beschäftigte, 14 000 sind dort in der Administration tätig. Übrigens, viele auch mit Pensionsprivilegien. Das kann man ganz genau nachrechnen. Und ich sage Ihnen, früher oder später wird diese Zusammenlegung kommen von 21 jedenfalls auf unter 10 Sozialversicherungsträger.“

Wolf: „Gut, und wie viel von den Verwaltungsausgaben können Sie da einsparen?

Haimbuchner: „Sie haben die Berechnungen gesehen, wenn man alles zusammenrechnet, dann muss man natürlich auch die Pensionsansprüche sich anschauen, das muss sich auch ändern. Hier ist ein Vorschlag von einer Milliarde Euro berechnet worden. Den habe nicht ich berechnet, ich bin ein Jurist, mir ist das auch nicht zu Hause beim Rasenmähen eingefallen, sondern das haben entsprechende Experten auch berechnet, die angeführt wurden.“

Wolf: „Aber Herr Haimbuchner, wie seriös ist das? Die gesamten Verwaltungsausgaben bei den Sozialversicherungen liegen bei 1,2 Milliarden laut Sozialversicherungen; laut einer sehr kritischen Studie der Wirtschaftskammer bei 1,5 Milliarden. Sie wollen zwei Drittel davon einsparen?

Haimbuchner: „Das wird möglich sein, da hat man sehr viel Speck angesammelt, das gilt ja nicht nur für die Sozialversicherungsträger. Schaun sie sich die Kammern in Österreich an, die Arbeiterkammer, die Wirtschaftskammer, die sitzen auf einem irrsinnigen Vermögen, das alles müssen die Arbeitnehmer und die Unternehmer in diesem Land bezahlen. Das ist möglich und das haben auch Experten entsprechend ausgerechnet und man muss einfach einmal Maßnahmen setzen, es muss wieder so sein in diesem Land, dass der Unternehmer etwas zählt und nicht nur zahlt und das muss auch so sein, dass die Arbeitnehmer einfach ordentlich auch leben können, wenn sie 40 Stunden arbeiten. Da gibt’s einfach ein Ungleichgewicht. Die entsprechende Kooperation ist nicht mehr vorhanden zwischen dem Staat und dem Unternehmer. Die gesamte Betrugsbekämpfungsparanoia des Staates gegenüber den Unternehmern, all das, was hier in den letzten Jahren gemacht worden ist, die Steuererhöhungen, die Registrierkassenpflicht, das alles muss geändert werden.“

Wolf: „Herr Haimbuchner, sie sind sehr sehr allgemein, ich möchte gern noch konkreter werden.“

Einwurf Haimbuchner: „Ich bin sehr konkret, ich kann Ihnen auch die konkreten Fälle sagen, von Landwirten, von Dachdeckern, von Baumeistern, ich bin ja den ganzen Tag unterwegs in Österreich.“

Wolf: „Ich möchte gerne noch konkreter werden, nämlich zu den Maßnahmen, die sie vorschlagen. Jetzt definiert sich ja die FPÖ als soziale Heimatpartei. Sie schreiben aber, sie wollen künftig weniger direkte Steuern, das ist ein technischer Begriff, aber das sind Lohn- und Einkommensteuern, und stattdessen stärker auf indirekte Steuern setzen, also die Mehrwertsteuer ist die klassische indirekte Steuer. Diese indirekten Steuern sind aber für alle Menschen gleich hoch, egal, wie sie verdienen, deshalb gelten sie als klassisch unsozial, weil sie ärmere Menschen stärker belasten als reiche Menschen. Wie passt das zu einer sozialen Heimatpartei?

Haimbuchner: „Das unsozialste, was wir derzeit in Österreich haben, das ist die hohe Abgabenbelastung von 43,2 % und das unfairste ist auch, wie hier die Einkommen besteuert werden und wenn hier nicht endgültig einmal die Lohnnebenkosten gesenkt werden, wenn hier nicht irgendwann einmal man bei den Ausgaben beginnt auch zu sparen, dann werden die Arbeitnehmer nie mehr im Börsel haben und das ist der Weg, den wir entsprechend auch vorschlagen.“

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[Anmerkung: Haimbuchner weicht nicht nur dem Punkt aus, sondern leitet gleichzeitig zu einer Senkung der Lohnnebenkosten über, die fehlendes Budget für Pensionen, Gesundheit und Arbeitslosenversicherung bedeuten würde]

Wolf: „Herr Haimbuchner, das ist aber keine Antwort auf meine Frage. Was hat denn ein Arbeitnehmer davon, wenn sie ihm, wenn er eh schon relativ wenig Lohnsteuer zahlt, weil er wenig verdient, ein bissel die Lohnsteuer senken und dafür die Mehrwertsteuer hinaufknallen?“

Haimbuchner: „Das werden wir auch nicht tun. Das ist völlig unrichtig.“

Wolf: „Da steht aber in ihrem Programm.“

Haimbuchner: „Nein. Das … äh … da … äh … wann … dann kann ja alles nur ausgewogen … äh … erfolgen. Und wir wollen in erster Linie die Abgabenquote senken und da fällt alles darunter, sehr geehrter Herr Wolf, und dann können Sie nicht sagen, auf der einen Seite will man sparen und auf der anderen Seite möchte irgendein Freiheitlicher Steuern erhöhen, das wird´s mit uns nicht geben.“

Wolf: „Das steht da. Aber Herr Haimbuchner, das steht auf Seite 32 ,wir wollen stärker auf indirekte Steuern setzen’“

Haimbuchner: „Weil man zuerst einmal darauf achten muss, dass man einmal die direkten Steuern einmal entsprechend auch senkt. Und es geht in erster Linie bei diesem Programm um Steuersenkungen, es geht um die Beseitigung von Ungerechtigkeiten, weil ja auch unser Sozialstaat im derzeitigen System einfach nicht mehr finanzierbar ist. Es ist ein Sozialstaat in erster Linie einmal für die Österreicher geschaffen worden und morgen in der Kronenzeitung wird ja auch getitelt, dass uns die Flüchtlinge in den kommenden Jahren, die Integration, über 8 Milliarden kosten wird. Also da werden wir dann dort entsprechend auch einmal den Sparstift ansetzen, so wie wir das in Oberösterreich auch getan haben.“

[Anmerkung: Eigentlich ging es gerade um eine Anhebung der Mehrwertsteuer, die die gesamte Bevölkerung treffen würde. Haimbuchner lenkt ab und versucht erfolgreich, den Fokus stattdessen auf geflüchtete Menschen als Sündenböcke zu legen.]

Wolf: „Bleiben wir gleich bei dem Punkt. Sie antworten sehr ausführlich, ich muss ein bisserl auf die Zeit schauen. Sie wollen Mindestsicherung künftig nur mehr an österreichische Staatsbürger auszahlen. Jeder Verfassungsrechtler wird Ihnen erklären, dass das verfassungswidrig ist.“

Haimbuchner: „Ah … In erster Linie geht es einmal um die Wertigkeiten. Ah … Es kann nicht sein, dass … ah … ah … Österreicher Steuern bezahlen … ah … und Leute, die noch keinen einzigen Tag in Österreich gearbeitet haben, Mindestsicherung kassieren. Das ist einfach nicht möglich, deswegen wird diese Unterscheidung zwischen Österreichern, EU-Bürgern und auf der anderen Seite Drittstaatsangehörigen natürlich möglich sein.“

Wolf: „Aber das steht da nicht. Herr Haimbuchner, auch das steht da nicht. Hier steht österreichische Staatsbürger, nicht EU-Bürger. Österreichische Staatsbürger. Das geht nicht rechtlich.“

Haimbuchner: „Das wird man dann auch einmal alles sehen, was rechtlich tatsächlich auch alles möglich ist und wenn hier nicht ein Wertewandel auch insgesamt in Europa passiert, dann werden wir ein Magnet für die Zuwanderung sein und dann ist dieser Sozialstaat völlig unfinanzierbar und dann werden wir in einigen Jahren nicht darüber sprechen, wem man noch aller Mindestsicherung überhaupt geben können, sondern dann werden wir nur noch über das Streichen sprechen und ich will nicht, dass es dann jene trifft, die eben auch auf eine derartige Hilfe angewiesen sind, denn die ganz Schwachen in unserer Gesellschaft, ja die muss man natürlich auch unterstützen, die darf man nicht hängen lassen.“

[Anmerkung: Rund 15 % der Bevölkerung in Österreich, also über 1,3 Millionen Menschen, haben keine österreichischen Staatsbürgerschaft, leben aber teils bereits viele Jahre im Land und haben auch entsprechend in den Sozialstaat eingezahlt. Sie alle will die FPÖ vom Bezug der Mindestsicherung ausschließen. Gleichzeitig fordert die FPÖ in ihren programmatischen Texten auch drastische Verschlechterungen für arbeitslose Menschen. So will Parteichef Strache im Sommergespräch auf Puls4 etwa, dass Menschen, die noch nicht ins Sozialsystem einzahlen konnten, überhaupt keine Mindestsicherung bekommen können. Das würde vor allem alle jungen Arbeitslosen Menschen treffen.]

Wolf: „Letzte Frage noch. Sie sitzen ja in Oberösterreich in einer Koalition mit der ÖVP. Alle Beobachter, die dieses Programm gelesen haben und Kommentatoren sagen, das ist sehr nahe an der ÖVP, das ist eigentlich de facto ein Koalitionsangebot an die ÖVP. Ist das so?“

Haimbuchner: „Nein, es ist ein Koalitionsangebot an die Österreicherinnen und die Österreicher und vor allem auch an die fleißigen Unternehmerinnen und Unternehmer und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und es geht einfach darum, dass es einen Wertewandel gibt, dass Leistung wieder etwas zählt, dass man mit Unternehmen wieder einfach anständig umgeht, dass es sich auszahlt, ein Wirt zu sein, ein Dachdecker, ein Baumeister, ein Friseur zu sein, darum geht es.“

Wolf: „Herr Haimbuchner, ich muss sie unterbrechen, das ist so gar keine Antwort auf meine Frage gewesen, [Einwurf Haimbuchner: „Das ist eine konkrete Antwort.] aber wir sind schon weit über der Zeit, wir müssen’s an dieser Stelle beenden. Vielen Dank für das Gespräch.“

Haimbuchner: „Danke für Ihr Gespräch. Danke schön.“

Anfang September 2017 erscheint mein neues Buch „Die FPÖ – Partei der Reichen“ im Mandelbaum-Verlag. Erhältlich in jeder gut sortierten Buchhandlung. Mehr zum Buch hier.

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