Das nächste Kind und seine Eltern sollen abgeschoben werden

Yiğit Kaya. Bild: Privat, mit freundlicher Genehmigung.

Der 13-jährige Yiğit, sein Bruder und seine Eltern sollen in die Türkei abgeschoben werden. Sie sind kurdische Aleviten. Die Eltern waren in der Türkei politisch aktiv – dort drohen ihnen Verfolgung und Gefängnis.

Nach der 12-jährigen Wiener Schülerin Tina droht bereits die nächste Abschiebung von Kindern und jungen Erwachsenen. Diesmal trifft es den 13-jährigen Yiğit Kaya und seine Familie: den älteren Bruder Yilmaz, seinen Vater Tosun und seine Mutter Meryem.

Die Eltern waren in der Türkei in der linken pro-kurdischen HDP aktiv und könnten unmittelbar nach der Abschiebung in der Türkei inhaftiert werden. Der 20-jährige Yilmaz müsste als Kurde zum türkischen Militär. Was dann aus dem kleinen Yiğit werden würde, ist ungewiss.

Die Familie Kaya. Bild: Privat, mit freundlicher Genehmigung.

Aktuell sitzen Vater Tosun sowie der ältere Sohn Yilmaz im Wiener Polizeianhaltezentrum (PAZ) Roßauer Lände in Schubhaft. Zuvor waren auch bereits Yiğit und seine Mutter in Schubhaft, nun warten sie in Ungewissheit, was weiter mit ihnen passieren wird.

„Ich habe Angst“

Bereits Mitte Jänner hatten die Behörden versucht, die Familie abzuschieben – das war nur an der Gegenwehr von Sohn Yilmaz gescheitert. „Die Abschiebung droht jetzt jederzeit“, sagt der Wiener Rechtsanwalt Lennart Binder, der die Familie vertritt. Zuvor waren zwei Asylanträge abgelehnt worden. „Dabei ist die politische Tätigkeit des Vaters für die HDP unbestritten“, sagt Binder.

In der Türkei hatte die Familie Kaya in der kurdisch geprägten Region Elbistan im Südosten der Türkei gelebt. Knapp nach ihrer Flucht vor rund 5 Jahren verhaftete die türkische Polizei dort HDP-AktivistInnen – offenbar konnten die Kayas gerade rechtzeitig entkommen. Von den Verhaftungen berichteten damals auch türkische Medien. „Es besteht die akute Gefahr, dass Tosun und Meryem unmittelbar nach der Abschiebung verhaftet werden“, warnt Mamo Mirzani. Er ist Sprecher des HDP-Solidaritätskomitees in Österreich.

Die Türkei: Ein Land im Krieg

Der Familie ginge es sehr schlecht, Meryem Kaya müsse inzwischen sogar Psychopharmaka nehmen, erzählt Mirzani. Über ihn schreibt mir Meryem Kaya: „Ich will nur Ruhe und Frieden. Ich habe Angst, dass ich und mein Mann verhaftet werden und unsere Kinder dann ohne Eltern dastehen. Und wenn Yilmaz dann auch noch zum Militär muss, was soll aus Yiğit werden?“

Aus der Schule gerissen

Nach der Flucht aus der Türkei vor knapp fünf Jahren hat die Familie Kaya in Österreich zuerst in Tirol gelebt, dann in Oberösterreich. Beide Kinder, Yiğit und Yilmaz, sind hier zur Schule gegangen. „Yiğit war zuletzt auf der Sportmittelschule Bad Kreuzen, einem kleinen Ort an der Grenze zwischen Oberösterreich und Niederösterreich“, erzählt Mamo Mirzani. Er ist Sprecher des HDP-Solidaritätskomitees in Österreich. Seitdem die Familie von den Behörden nach Wien gebracht wurde, könne Yiğit nicht mehr in die Schule gehen, berichtet Mirzani.

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Beide Eltern hätten sogar Einstellungszusagen für einen Job, sagt der Solidaritätskomitee-Sprecher. „Auch Verwandte, die in Österreich leben, haben bereits zugesagt, für mögliche Lebensunterhaltskosten aufzukommen.“ Dennoch scheint es, als wolle das Innenministerium die Abschiebung durchziehen – obwohl die Flucht der Familie Kaya aus der Türkei wohl eine Rettung in letzter Minute war.

Auf die Eltern wartet vermutlich das Gefängnis

Die Familie hätte inzwischen einen neuerlichen Asylantrag gestellt, berichtet Anwalt Binder. Der Hintergrund: Die linke HDP wird von der rechten türkischen Regierung immer härter unterdrückt. Vor kurzem hat in der Türkei eine Kampagne für das Verbot der gesamten Partei begonnen. Den Scharfmacher gibt dabei die faschistische MHP, im deutschsprachigen Raum besser bekannt als Graue Wölfe.

Die MHP steht seit mehreren Jahren in einer strategischen Allianz mit der AKP von Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Gemeinsam bilden AKP und MHP die Regierungskoalition in der Türkei. Wenn die Oppositionspartei HDP vollständig verboten würde, würde das die Halb-Diktatur in der Türkei nochmals verschärfen. Und gleichzeitig würde in dieser Situation natürlich auch die Gefahr der Verfolgung von Tosun und Meryem Kaya nochmals enorm steigen.

So sind die Grauen Wölfe in Österreich organisiert

Bereits seit Jahren sitzen die beiden Parteivorsitzenden der HDP sowie viele MandatsträgerInnen und BürgermeisterInnen der Partei im Gefängnis. Dieses Schicksal könnte auch Tosun und Meryem Kaya unmittelbar nach ihrer Abschiebung in die Türkei drohen. Die Familie hofft nun, dass ihrem neuen Asylantrag eine aufschiebende Wirkung zugebilligt wird. Rechtsanwalt Binder erklärt: „Das müssen die österreichischen Behörden jetzt entscheiden. Sie können das verweigern, sie können aber auch zustimmen.“

Empörung beim politischen Gefangenen Max Zirngast

Parallel hat der Innsbrucker Anwalt Salih Suna einen Antrag auf humanitäres Bleiberecht gestellt, wie das Solidaritätskomitee berichtet. Von der drohenden Abschiebung empört zeigt sich auch der österreichische Journalist und Aktivist Max Zirngast, der selbst über Monate in der Türkei inhaftiert war.

Max Zirngast: „In Freiheit und trotzdem gefangen“

„Vor allem seit 2016 sind tausende von HDP-Mitgliedern, darunter unzählige Nationalratsabgeordnete, festgenommen und verhaftet worden. Die Ko-Vorsitzenden sitzen seit über 4 Jahren im Gefängnis. Gerade in den letzten Wochen wird ein Parteiverbot der HDP vom Palastregime immer stärker diskutiert. Angesichts dessen wäre eine Abschiebung in die Türkei ein Skandal“, so Zirngast

Was ist jetzt mit der Kindeswohlkommission?

Am Mittwoch hat Vizekanzler Werner Kogler von den Grünen die Bildung einer „Kindeswohlkommission“ bekannt gegeben. Diese Kommission solle künftig die Abschiebungen von Kindern prüfen. Der Fall der Familie Kaya würde sich als Prüffall geradezu aufdrängen. Das wird allerdings nur dann möglich sein, wenn die geplante Abschiebung von Yiğit, Yilmaz, Tosun und Meryem Kaya schnellstmöglich ausgesetzt wird.

Das Innenministerium kündigt auf Anfrage eine Stellungnahme des Bundesamts für Asyl an mich an. Das könne allerdings „etwas länger“ dauern. Die Stellungnahme wird bei Eintreffen in den Artikel eingefügt.

AktivistInnen rufen inzwischen zu einer Protestaktion auf. Vor dem PAZ Roßauer Lände in Wien wollen sie am 12. Februar um 14 Uhr demonstrieren. Sie protestieren gegen die geplante Abschiebung der Familie Kaya und für die sofortige Freilassung von Tosun und Yilmaz Kaya aus der Schubhaft.

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