Corona-Schulchaos: Das sagen LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern

Bild: Alexandra Koch

Zahlreiche Betroffene berichten über Corona-Fälle an österreichischen Schulen. Hier schreiben sie über ihre Ängste und ihre Wut – und kritisieren völliges Chaos im Umgang mit der Krankheit.

Vor einigen Tagen hat mir eine Lehrerin einer Wiener Handelsakademie geschrieben. Sie hat mir von ihrem Ärger über die völlig unzureichenden Sicherheitsmaßnahmen in den Klassen und im LehrerInnenzimmer erzählt – aber auch von ihrer Angst um ihre SchülerInnen, ihre Familie und um sich selbst.

Darauf habe ich über soziale Medien LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern gebeten, mir über ihre Erfahrungen mit dem Corona-Virus in ihren Schulen zu berichten. Das sind eure Antworten. Diese Antworten können naturgemäß nicht repräsentativ sein. Dort, wo es gut läuft, haben die Menschen naturgemäß weniger das Bedürfnis, sich zu Wort zu melden.

Neoliberale drängen auf offene Schulen

Auch die Frage, wie weiter mit Corona-Fällen in Schulen umgegangen werden soll, ist durchaus umstritten. Offene Schulen wollen nicht zuletzt Kapital-freundliche Kräfte, sie wollen so möglichst viele Arbeitskräfte in ihren Betrieben sicherstellen. So drängte etwa die neoliberale Agenda Austria bereits Mitte August auf offene Schulen. Doch auch jenseits dieser durchschaubaren Agenda stellen sich tatsächlich viele Fragen.

Etwa die psychischen Auswirkungen auf SchülerInnen, die über lange Zeit von ihren FreundInnen und ihrem sozialen Umfeld getrennt sind. Doch auch hier gibt es keine Generalformel: Während manche SchülerInnen darunter sehr leiden, werden es andere vielleicht sogar genießen, von unangenehmen LehrerInnen oder MitschülerInnen befreit zu sein.

Wo die Wohnungen nicht besonders groß sind, können SchülerInnen zu Hause auch Stress für die gesamte Familie bedeuten. Irgendwann fällt allen die Decke auf den Kopf, Streit ist die Folge.

In der Schule sind 30 Personen auf einmal doch „schlau“?

Gleichzeitig sind aber auch die Vorgaben der Regierung offensichtlich abstrus. So sei es laut Bundeskanzler Sebastian Kurz nicht „schlau“, 30 Personen nach Hause einzuladen, Indoor-Feiern sind auf zehn Personen begrenzt. Das ist wohl auch sinnvoll. Aber gleichzeitig erklärt die Regierung nicht, warum es dann in Ordnung ist, wenn in Klassen teilweise mehr als 30 SchülerInnen auf engem Raum zusammen sind.

Das gilt auch für die LehrerInnen: In großen Schulen können in der Pause dutzende LehrerInnen im LehrerInnenzimmer sein – dazwischen gehen sie als potentielle „Superspreader“ von Klasse zu Klasse. Als Antwort auf meine Frage zu diesem offensichtlichen Missverhältnis in den Aussagen von Kurz schreibt mir der grüne Nationalrat Georg Bürstmayr, die Idee dahinter sei, „das Risiko erst mal dort [zu] reduzieren, wo die (gesellschaftlichen) Folgen geringer sind“. Und das klingt doch stark nach einer ökonomischen Argumentation. Die Wirtschaft aber sollte nie über Menschenleben stehen.

Das sagen LehrerInnen:

„Ich bin Lehrerin an einer Wiener AHS. Ich liebe meinen Job, aber derzeit möchte ich am liebsten gar nicht unterrichten gehen. Die Maßnahmen und Vorgaben sind ein Irrsinn! Alle haben Angst, SchülerInnen, LehrerInnen, Eltern. Jeder ist verunsichert. Aber da eine Testung über 1450 ewig dauert, trauen sich viele gar nicht anrufen. Es ist auch unklar, wie Schulen denn nun wirklich mit positiven Fällen umgehen müssen. Unsere Schule schickt die komplette Klasse mit LehrerInnenteam in Quarantäne. Ich weiß aber auch von KollegInnen anderer Schulen, dass sie nur die umliegenden Banknachbarn heimschicken.“

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„In der Schule, wo ich unterrichte, sind bereits 60 Schüler und Schülerinnen in Quarantäne. Auch eine Lehrkraft. Wir haben dabei noch nicht mal Vollbetrieb da die 3. und 4. Klassen erst in zwei Wochen aus den Ferien kommen. Es wird allerdings alles Mögliche für die Kinder von Schulseite gemacht. Schräg finden nur viele Kolleginnen und Kollegen, dass jüngere Geschwister von Schülerinnen und Schülern, welche in Quarantäne sind, trotzdem den Unterricht besuchen bei uns.“

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„Die Alternative ist, die Kinder wieder daheim lassen – das bedeutet für unzählige Kinder ein Leben unter fürchterlichen Bedingungen. Die Schule ist nicht nur Bildungseinrichtung. Für viele Kinder bietet sie Schutz, Kontrolle, soziale Kontakte, Wärme, Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten. Ich bin Lehrerin und möchte gerne weiterhin vor Ort unterrichten und nicht wieder am PC. :(“

Ich bin also potenzieller Superspreader

„Ich bin Lehrerin an einer AHS in Wien. In meiner Schule gibt es mindestens zwei positive Fälle, Verdachtsfälle gibt es am laufenden Band. Fast jeden Tag bekomme ich ein Mail, in dem steht, dass bestimmte Klassen jetzt nicht mehr gemischt werden dürfen. Das bedeutet, dass jemand in der Klasse auf einen Test/Testergebnisse wartet. Ich selbst habe mehr als zehn Klassen, das sind über 200 Kontakte pro Woche. Ich bin also potenzieller Superspreader.

Gleichzeitig halten sich die Kinder halt auch nicht immer an die Maske. Ich habe erstmal allen Klassen erklären müssen, dass man die Maske nicht anfasst und dauernd auf dem Tisch rumwischt. Wenige wollen das kapieren. Es sind halt Kinder. Im LehrerInnenzimmer gibt es keine Maskenpflicht.

Die Direktion empfiehlt es zwar, darf uns aber offenbar nicht verpflichten. Dabei ist das dort der reinste Taubenschlag. Bei uns sind bereits fünf LehrerInnen in Quarantäne. Die Schule ist personell schon total am Limit, weswegen Supplier-Bereitschaften von 3 auf 5 Stunden erhöht wurden. Mit tut unser Schulleitungsteam total leid, die sind einfach rund um die Uhr im Einsatz. Die können glaub ich fast nicht mehr Das alles ist natürlich auch arbeitsrechtlich total problematisch. So könnte etwa der Druck enorm steigen, im Krankenstand Distance Learning anzubieten.“

Wer steckt hinter den angeblichen Corona-„Rebellen“?

„Ich unterrichte an einer Hauptschule. Es ist ziemlich unsinnig, wenn in den Gängen Masken getragen werden, aber im der Klasse werden sie runter genommen. Kurz meint, dass es dumm wäre, 30 Leute in die Wohnung einzuladen. Und in der Schule ist es okay? Wir arbeiten derzeit nach dem Motto Augen zu und durch und Fenster auf. Aber was ist, wenn es kälter wird?“

Das sagen Eltern und SchülerInnen:

„In einem Sonderpädagogischen Zentrum in Wien sind eine Menge Kids, die krank sind. Viele traumatisierte Kids mit Aufenthaltsstatus. Viele Eltern verstehen kaum Deutsch, die LehrerInnen sind ausgebrannt.“

[Du kannst das folgende Banner wegklicken und danach weiterlesen. Du kannst über das Banner auch sehr gern künftige Recherchen mit Meinung und Haltung unterstützen.]

„Zwei Corona Fälle kenne ich, beide TGM Schülerinnen… Milder Verlauf zum Glück“ (Anm: Das TGM ist eine HTL in Wien und mit rund 2800 SchülerInnen und rund 330 LehrerInnen die wohl größte Schule der Bundeshauptstadt)

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„Gleich nach einer Woche drei positiv getestete Schüler in einem Gymnasium in Wien-Hernals, drei Klassen in Quarantäne gewesen, andere im Distance Learning wegen Verdachtsfällen, alle beunruhigt. 17jähriger zuerst in der Schule, nach vier Tagen im Distance learning, nach weiteren fünf Tagen wieder zu Schule.

Hungerstreik aus Angst vor Corona in Wiener Schubhaft-Gefängnissen

„Schon nach drei Tagen Schule hat die Nebenklasse meiner Tochter in der Handelsschule wegen einem infizierten Schüler in Quarantäne gehen müssen …“

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„Gestern wurde die Tochter eine Freundin nach Hause geschickt (Berufsschule). Zwei Fälle in der Klasse und ein dritter in der Schule.“

Meine Kinder finden, dass das in der Schule total unterschätzt und kleingeredet wird.

„Meine Kinder gehen in ein Gymnasium in Wien. Sie finden, dass das in der Schule total unterschätzt und kleingeredet wird. Ich habe einen Elternbrief bekommen, da steht was von Abstand von zehn, fünf Metern in der Klasse. Es gibt aber nur einen einzigen Raum, wo das möglich ist. Das ist reiner Fake. Es gibt offenbar die Vorgabe, die Schulen so lange wie möglich offen zu halten, damit die Eltern arbeiten gehen können.“

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„In Hall in Tirol sind die LehrerInnen einer Schule alle in Quarantäne“

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„In der Volkschule unserer Tochter kann eine Mitteilung, dass es einen Fall gibt, später kamen weitere Fälle dazu. Auf unsere Frage kam als Antwort: ‚Wegen Datenschutz gibt es keine weiteren Informationen‘. What the fuck?“

Viele werden nicht getestet und schnupfen und husten sich bereits jetzt durch die Schule. So auch ich.

„Es gibt geflüchtete Familien an meiner Schule (Somalia, Afghanistan, Syrien, Nigeria, Libyen, Irak, …), alle 2015 gekommen, bräuchten dringend Unterstützung. Ist da jemand??? Viele (Schüler/innen wie Lehrer/innen) sind nicht in Quarantäne, werden nicht getestet und schnupfen und husten sich bereits jetzt durch die Schule. So auch ich. Alles verdammt chaotisch. Das erzeugt enorme Unsicherheit. Was für ein Schulstart!“

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„In der Arbeit können wir uns ausweichen und wenn wir nicht am Platz sind, Masken verwenden. In der Schule meines Sohnes habe ich ganz andere Erfahrungen gemacht. Alles wird geteilt in kleinere Gruppen. Ich finde dort wird schon ganz gut drauf geachtet. Aber in den Öffis, kann ich mich nicht schützen, wenn neben mir, dicht zusammengedrängt, jemand steht, der/die die Maske unter der Nase trägt.“

Corona macht immer mehr Menschen psychisch krank

„Als Eltern bist du verpflichtet, sobald ein Symptom auf Covid-19 deutet, die Corona-Hotline zu informieren. Ich habe zwei Tage, nach etlichen Stunden am Telefon, gebraucht. um durchzukommen. Am vierten Tag nach meinem Anruf wurde getestet und im Moment ist die Wartezeit bis zum Testergebnis bis zu fünf Tage. In der Zwischenzeit sind meine KollegInnen auch nicht glücklich, wenn ich am Arbeitsplatz erscheine. Das dauert alles so lange und mittlerweile gibt es einen weiteren Verdachtsfall im LehrerInnenteam, Resümee: Klasse in Quarantäne.

Leider befürchte ich, eine Quarantäne wird der nächsten folgen und nicht alle Eltern haben das Glück, so wie ich im Home-Office arbeiten zu können – und ein paar Tage Schule, dann wieder Quarantäne in Dauerschleife ist echt auch keine Lösung. Es mag sein, dass bei den Kleineren alles echt easy läuft, aber in der Oberstufe kann ich das nicht bestätigen. Abgesehen davon finde ich es nicht ganz fair, von einer/einem Lehrer*in zu erwarten, täglich mehrere unterschiedliche Klassen mit mindestens 25 Kindern zu unterrichten.“

Die Eltern werden bald auf die Barrikaden gehen.

„Kann mir nicht vorstellen, dass die Schulen noch lange im Normalbetrieb offen sein werden. UND: ich denke, dass bei anhaltendem Trend die Eltern bald mal und zu Recht auf die Barrikaden gehen werden.“

Diese Konzerne bekommen Corona-Staatshilfen

„Im Kindergarten des Enkels meines Cousins (gibt’s eigentlich einen Namen für so ein Verwandtschaftsverhältnis? *g*) gibt’s zwei Covid-Fälle. Jetzt ist die ganze Familie, Kinder, Eltern, Großeltern in derzeit freiwilliger Quarantäne – und ich werde jetzt den 100-jährigen Urgroßvater, meinen Onkel, einkaufs- und fahrtendienstmäßig betreuen. Keeping the risks small …“

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„Ich kann persönlich nur von einer absolut (Coronamanagement betreffend selbständig organisiert) korrekten Schule berichten, höre und lese aber immer wieder erschreckende Bestätigungen darüber, dass es wohl wirklich an ‚unserer‘ Schule liegt, dass es läuft.“

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„Normalbetrieb unter solchen Bedingungen nicht möglich. Das sind ja nicht nur positive SchülerInnen, sondern auch LehrerInnen darunter. Und mit etlichen kranken LehrerInnen, zusätzlich der bekannte Lehrermangel … keine LehrerInnen, keine Schule. Oder magst in Pandemiezeiten Klassen zusammenlegen?“

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„Bei uns ist alles völlig chaotisch.“

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„Bei meiner Tochter in der Schule gibt es bereits bestätigte Corona-Fälle. Trotzdem keine Masken, nix. Ich kann das Kind nicht vor mir in Quarantäne stecken. Ich habe Kontakt mit Risikopersonen. Was nun?“

*Alle Berichte wurden anonymisiert und geschlechtsneutral formuliert.

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