Eine Seilbahn in Wien ist absoluter Schwachsinn

Bild: Breki74, Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/deed.en

Die Neos wollen auch neben der Südosttangente eine Seilbahn bauen. Dort fahren im Schnitt jeden Tag über 180.000 Fahrzeuge. Die wollen die Neos „entlasten“. Mit Gondeln je 15 Personen.

Wisst ihr, warum in europäischen Großstädten Seilbahnen nicht als Verkehrsmittel eingesetzt werden? Richtig. Weil die Idee absoluter Schwachsinn ist. Dennoch wollen SPÖ und Neos die Errichtung einer Seilbahn in Wien prüfen, der Vorschlag kommt von den Neos. Was hier gebaut werden soll, wie viel Geld dafür verpulvert werden könnte – und warum das absoluter Unsinn ist.

Laut Wiener Regierungsprogramm soll die Seilbahn zwischen Hütteldorf und Ottakring verkehren. Damit soll die neue private Universität CEU am Otto-Wagner-Areal angebunden werden. Auf der CEU werden allerdings im Vollausbau gerade einmal rund 1500 Menschen studieren, dazu Lehrkräfte und Personal. Diese Menschen kommen und gehen über den ganzen Tag verteilt, nicht alle sind täglich auf der Uni. Kurz: Die CEU könnte locker und vor allem wesentlich günstiger mit Schnellbussen versorgt werden.

Viel effektiver wäre die Seilbahn auch nicht: In eine Gondel sollen laut Programm der Neos gerade einmal 15 Personen passen. Über eine Stunde verteilt pro Richtung gerade einmal 2000 Personen. Doch statt Schnellbussen wird die Machbarkeit eines komplett neuen Verkehrssystems für Wien geplant.

Gondeln für die Südosttangente

Wie absurd diese Idee ist, zeigt ein weiterer Vorschlag der Neos, der es ebenfalls ins Regierungsprogramm mit der SPÖ geschafft hat. Vereinbart wurde die Prüfung der Machbarkeit „möglicher weiterer Seilbahnen, zum Beispiel entlang der Süd-Ost-Tangente (Hauptbahnhof, Arsenal, Busterminal).“ Das wäre also eine Seilbahn vom Hauptbahnhof zum geplanten neuen Busterminal beim Prater.

Der neue Wiener Busbahnhof soll direkt am Grünen Prater gebaut werden

Am Hauptbahnhof kommen laufend Züge an, ein einziger Railjet der ÖBB hat 408 Sitzplätze. Kapazität pro Seilbahn-Gondel: 15 Personen. Übrigens: zwischen Hauptbahnhof und dem geplanten Busterminal gibt es bereits öffentliche Verkehrsmittel. Sie heißen U-Bahn und S-Bahn. Und da passen etwas mehr als 15 Personen rein.

Verarschen können wir uns selber

Diese Seilbahn solle aber vor allem gebaut werden, „um die Südosttangente zu entlasten“, so Wolfgang Gerold im Standard. Er ist der Bezirkschef der Pinken in Wien-Penzing, auf seinem Mist ist die Seilbahn-Idee gewachsen. Die Südosttangente ist die meistbefahrene Autobahn des Landes. Dort fahren im Schnitt jeden Tag über 180.000 Fahrzeuge. Die will Gerold „entlasten“.

Mit Gondeln je 15 Personen. Was den Autoverkehr auf der Tangente zurückgedrängt, sind Straßenbahnen und Züge. Aber sicher keine Seilbahn.

Kosten? Keine Ahnung. Aber richtig teuer

Wie viel das Ganze kosten soll, weiß niemand. Die Neos sprechen in ihrem Bezirksprogramm aus dem Jahr 2020 von 60 bis 75 Millionen Euro. Eine beachtliche Schwankungsbreite von 25 Prozent für eine angebliche Wirtschaftspartei. So ganz sicher sind sie sich da offenbar aber auch nicht.

2017 war noch von 55 bis 70 Millionen Euro die Rede. Einfach mal locker 5 Millionen drauf in drei Jahren. Warum die Zahlen so schwanken? Weil die Neos schlicht keine Ahnung haben, wie viel das Projekt tatsächlich kostet.

Die Neos sind ein Spaltprodukt der ÖVP

Woher Gerold von den Neos die Zahlen hat? Antwort: Er sei „nicht vom Fach“, die Zahlen habe er selbst zusammengesucht. Dazu habe es Gespräche mit Vertretern des Vorarlberger Seilbahnunternehmens Doppelmayr gegeben. Dort aber heißt es, die Zahlen hätten bestenfalls „Schätzcharakter“.

Wo soll das gebaut werden?

Tatsächlich ist die Zahl aber vermutlich viel zu niedrig gegriffen. Im teilweise dicht verbauten Gebiet müssten hohe Stelzen gebaut werden, dazu braucht es Platz für Stationen. Entweder sind die ebenfalls über den Dächern. Dann müssten in Hochlage barrierefreie Stationen mit Liften und allem Drum und Dran errichtet werden. Oder die Stationen kommen ebenerdig, das braucht noch mehr Platz.

In jedem Fall müssten vermutlich Flächen freigemacht werden, indem beispielsweise Häuser abgerissen werden. Eine der Stationen soll beim Wilhelminenspital errichtet werden, eine weitere beim Bahnhof Ottakring. Das ist dicht verbautes Gebiet. Wo sollen da Stationen entstehen? Bestenfalls sehr hoch und sehr teuer über der Erde. Apropos hoch über die Erde: Es wird spannend, wie es die BewohnerInnen finden, wenn ihnen riesige Stelzen vor die Fenster geknallt werden. Dazu ist das Otto-Wagner-Areal denkmalgeschützt.

Kosten für den laufenden Betrieb

Die Vorstellung, dass sich die Errichtung dieser Seilbahn mit 70 Millionen Euro ausgeht, ist bestenfalls naiv. Dazu gibt es in Wien keinerlei Know-How für den Aufbau eines solchen Verkehrssystems. Das müsste alles zugekauft werden. Und hier sprechen wir nur von den Errichtungskosten.

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Dazu kommen noch Kosten für den laufenden Betrieb, Wartung und Reparaturen. Auch hier gibt es bisher in Wien keinerlei Know-How, auch hier müsste teuer ausgebildet und zugekauft werden. Auf das Problem weist auch Verkehrsplaner Günter Emberger von der Technischen Universität (TU) Wien im Gespräch mit dem ORF hin: „Die Wiener Linien haben keine Erfahrung, das zu betreiben. Das heißt, man müsste die ganze Dienstleistung dazukaufen.“ Es fehlen ausgebildete Mechaniker und die ganze Hintergrundinfrastruktur, „jedes neue System, das in einer Stadt eingeführt wird, verursacht Kosten“.

Wo Seilbahnen Sinn machen

Seilbahnen als Öffis werden heute erfolgreich etwa in Mittel- und Südamerika eingesetzt. Doch dort ist die komplette Verkehrssituation völlig anders. Mit den Seilbahnen werden meist (ehemalige) Elendsviertel in Hügellage erschlossen, wo es davor kaum bis keinen öffentlichen Verkehr gab. Und wo die Straßen oft gar nicht breit genug für reguläre Verkehrsmittel wären. Ein Beispiel dafür ist die bolivianische Hauptstadt La Paz, wo derzeit das weltweit größte städtische Seilbahnnetz steht.

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Die Seilbahn verbindet dort La Paz mit der – übrigens traditionell aufständischen – Vorstadt El Alto. Doch El Alto („Die Höhe“) liegt auf einem Hochplateau über der Stadt, dort leben knapp eine Million Menschen. Verkehrsexperte Emberger erklärt: „Da hat man aufgrund der Menge der Menschen gesagt, wir können nur eine Seilbahn drüber bauen. Es war steiles Gelände, gab keine Straßen. Die haben kein Straßenbahn- oder U-Bahn-Netz gehabt.“ Das ist ein bissi was anderes als die Privatuni auf den Otto-Wagner-Gründen in Wien-Penzing.

Teures Begräbnis erster Klasse

Es ist völlig klar, dass die Seilbahn-Idee ein bewusster Spin der Neos ist. Bereits vor der offiziellen Präsentation des Regierungsprogramms wurde die Idee an die Medien gespielt – die sie dankbar aufgenommen haben. Offenbar hat die SPÖ den Neos hier ein wenig billige Medienpräsenz gegönnt. Letztlich hat auch dieser Artikel das Problem, dass er damit den Spin aufgreift. Doch Schweigen wäre noch schlimmer.

Vermutlich wird die Seilbahn-Idee in Wien ohnehin verworfen werden: Im Regierungsprogramm steht, die Machbarkeit würde „geprüft“. Das ist vermutlich ein Begräbnis erster Klasse. Doch bereits solche Machbarkeitsstudienkosten kosten oft viel Geld. Geld das wesentlich vernünftiger in neue Busse, Straßenbahnen, U-Bahnen und S-Bahnen investiert werden könnte.

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