Praterstern ist nur der erste Schritt – Große Teile Wiens könnten Verbotszone werden.

Wiens designierter Bürgermeister Michael Ludwig hat ein Verbot von Alkoholkonsum am Praterstern ausgesprochen. Und schon zieht der Bezirksvorsteher von Floridsdorf nach. Auch bei der dortigen U-Bahn-Station soll es eine Verbotszone geben.

Bereits ab 27. April soll am Praterstern der Konsum von Alkohol verboten werden. Die neue Regelung zielt eindeutig gegen die armen und marginalisierten Menschen, die sich an diesem großen Wiener Umsteigknotenpunkt aufhalten. Denn der Konsum in Lokalen oder Gastronomiebetrieben soll weiterhin gestattet sein.

Wer sich nicht an das Verbot hält, soll Strafe von 70 – 700 Euro bezahlen müssen. Wie obdachlose und verarmte Menschen diese Summe aufbringen können, verrät Wiens künftiger SPÖ-Bürgermeister Ludwig allerdings nicht. Auch das Gratis-WLAN am Praterstern soll deutlich eingeschränkt werden.

Mit dieser Maßnahme werden vor allem Jugendliche aus Afghanistan getroffen, die sich am Praterstern gerne treffen – und dort schon bisher oft mit Repression durch die Polizei zu kämpfen haben. Einen Bericht wie die Polizei am Praterstern Menschen zusammen treibt, habe ich hier beschrieben.

Wie die Polizei am Praterstern Menschen zusammentreibt

Doch was würde passieren, wenn die Menschen vom Praterstern vertrieben werden? Vermutlich würden die meisten sich künftig vor allem an den nächstgelegenen Umsteigknotenpunkten treffen, die Platz und Sitzgelegenheiten bieten. Das betrifft vor allem den Schwedenplatz, den Handelskai und Floridsdorf.

SPÖ-Floridsdorf zieht nach

Und tatsächlich hat es nur wenige Tage gedauert, bis der SPÖ-Bezirksvorsteher von Floridsdorf nachgezogen ist. Georg Papai will nun auch ein Verbot von Alkohol für den Franz-Jonas-Platz, also dem Platz vor der U-Bahn Station Floridsdorf. Für die Bezirkszeitung posiert er am 24. April stolz mit einem Schild mit durchgestrichenem Cocktailglas – wobei eher zu bezweifeln ist, dass obdachlose Menschen sich sehr oft einen Cocktail leisten können.

Ludwig hat also mit dem Praterstern nur den ersten Schritt gesetzt. Sein politischer Heimatsbezirk ist übrigens ebenfalls Floridsdorf. Auch deshalb ist es kaum wahrscheinlich, dass der dortige Bezirksvorsteher Papai ohne Absprache mit seinem künftigen Parteivorsitzenden und Bürgermeister gehandelt hat. Die Wiener Sozialdemokratie setzt somit eine Verdrängungsspirale in Gang.

Das ist Kapitalismus

Doch Armut und soziale Ausgrenzung verschwinden nicht, nur weil sie verboten wird. Selbstverständlich ist es für AnrainerInnen nicht immer angenehm, wenn sie mit Armut und Alkoholkonsum konfrontiert sind. Es ist eine klassische Auswirkung kapitalistischer Großstädte. Polizei und Verdrängung werden da nicht helfen. Der Praterstern ist das beste Beispiel dafür. Bereits seit Jahrzehnten ist der Bahnhof ein Treffpunkt von obdachlosen und alkoholkranken Menschen.

Tatsächliche Veränderungen würde es nur dann geben, wenn es genügend leistbaren Wohnraum, genügend soziale Unterstützung, genügend Therapien für abhängige Menschen, genügend Angebote für geflüchtete Menschen und genügend nicht-kommerzielle Treffpunkte für Menschen gibt.

Doch auch dann werden es viele Menschen schlicht genießen, hin und wieder in der Sonne zu sitzen. Die Besoffenen mit etwas mehr Geld sitzen dann aber in einem Lokal im angrenzenden Prater und geben dort Geld in der Gastronomie aus. Das ist der einzige substantielle Unterschied zum Praterstern.

Verdrängungsspirale

Noch eine Folge könnte das Verbot am Praterstern übrigens haben: Der bisherige Treffpunkt ist zentral, gut beleuchtet und es gibt eine starke Polizeipräsenz. Das ist für viele Menschen sehr beunruhigend, vor allem für geflüchtete Menschen und MigrantInnen. Doch manchen AnrainerInnen gibt diese Präsenz subjektive Sicherheit – wobei das Problem subjektiver Sicherheit ist, dass sie eben subjektiv ist (und nicht zuletzt wiederum stark von der Boulevard-Berichterstattung geprägt). Wenn aber immer mehr U-Bahn-Stationen zur „No-Go-Area“ werden, könnte sich die „Szene“ auch in den Prater mit seinen Wäldern und Grünflächen verlagern. Ob das auch nur zu einem Mehr an subjektiver Sicherheit beiträgt, muss stark bezweifelt werden.

Was also passiert, wenn am Praterstern und in Floridsdorf nichts mehr getrunken werden darf? Die Personen werden schlichtweg an andere und immer neue Plätze ausweichen. In der Denklogik der Wiener Sozialdemokratie müsste dann eben der nächste Platz mit einem Verbot belegt werden. Und der nächste Platz. Und der nächste Platz. Bis ganz Wien eine einzige Verbotszone ist.

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