Salzburger wollen die Herbergssuche nicht nachspielen, solange nicht genug für Refugees getan wird

Bild: Michael Bonvalot

„Wir wollen keine Heuchler sein, die gedankenlos die biblische Geschichte aufführen. Der Sinn der Herbergssuche soll auch auf die heutige Zeit übertragen werden.“

[Erstveröffentlichung: Vice] Das „Anklöckeln“ ist ein alter Brauch, der in Salzburg und Tirol in der Vorweihnachtszeit gefeiert wird. Im Salzburger Pinzgau wird dabei die Herbergssuche von Josef und Maria nachgestellt. Doch in Bramberg haben die Anklöcklerinnen nun einen Streik angekündigt, weil die Gemeinde keine Flüchtlinge aufnehmen will.

Die beiden Anklöcklerinnen Maria Oberleitner und Helene Bachler haben im Namen der Gruppe einen LeserInnenbrief an lokale Medien veröffentlicht, in dem sie ihre Motive erklären.

„Der Advent ist in vielen Salzburger Orten auch eine Zeit für den Brauch des ,Anklöckelns‘. Die Mühsal, die Maria und Josef vor 2000 Jahren erlebten, ist heute für viele Flüchtlinge wieder aktuell geworden“, heißt es in dem Brief. „Es ist für uns fragwürdig, sich die Herbergsuche von Josef und Maria anzuhören und den Wirt für sein Verhalten zu verurteilen, obwohl man selber nicht bereit ist, Herbergsuchende aufzunehmen. Leider haben wir den Eindruck dass unsere Gemeinde zu wenig tut, um Flüchtlinge unterzubringen.“

Von der Gemeinde fordern die Anklöcklerinnen Solidarität mit Flüchtlingen. „Unsere Gemeinde soll, wie andere Orte, ebenfalls Flüchtlinge aufnehmen. Bei 4000 Einwohnern tun einige Flüchtlinge verteilt auf mehrere Häuser keinem weh“, fordern Oberleitner und Bachler—mit dem Zusatz: „besonders jetzt in der Weihnachtszeit.“

Schließlich kündigen sie auch an, in Streik zu treten und in diesem Jahr nicht öffentlich aufzutreten, wenn die Gemeinde nicht handelt. „Wir wollen keine Heuchler und Scheinheiligen sein, die gedankenlos die biblische Geschichte aufführen“, so die Anklöcklerinnen. „Der Sinn der Herbergssuche soll auch auf die heutige Zeit übertragen werden.“ Ein traditioneller Auftritt bei der SeniorInnen-Weihnachtsfeier am 20. Dezember wurde bereits abgesagt.

„Wir wollen keine Heuchler und Scheinheiligen sein, die gedankenlos die biblische Geschichte aufführen. Der Sinn der Herbergssuche soll auch auf die heutige Zeit übertragen werden.“

Brauchtum wird in der Alpenregion ja sehr oft von der politischen Rechten für sich beansprucht. Erst kürzlich hat Heinz-Christian Strache mit den Worten „Unsere Tradition. Unsere Zukunft“ ein ziemlich spooky Krampus-Bild online gestellt und sich damit selbst endgültig zum Kinderschreck erklärt. Doch die Anklöcklerinnen im Pinzgau zeigen, dass auch asylfreundliche und aufgeschlossen denkende Menschen brauchtumsorientiert sein können.

Laut dem „Salzburger Fenster“ könnte der Streik nun sogar tatsächlich etwas Positives bewirkt haben. Bürgermeister Hannes Enzinger (ÖVP) berichtet gegenüber dem Salzburger Fenster, dass Gespräche mit einem nicht mehr in der Gemeinde wohnenden Bramberger über die Nutzung seines Hauses aufgenommen wurden: „Er wird diese Woche entscheiden, ob er sein leerstehendes Haus für Flüchtlinge zur Verfügung stellen möchte. Dann prüft der Regionalverband, ob das Gebäude als Quartier passt, oder ob Umbauten nötig sind.“

Es sieht also so aus, als könnte der Streik wirklich Erfolg haben. Vielleicht werden die Anklöcklernnen nun doch auch in diesem Jahr die Herbergssuche nachstellen—und vielleicht sind sogar schon einige neue BrambergInnen dabei.

Hast Du diesen Artikel lesenwert gefunden? Dann schick ihn jetzt weiter!

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen