Was geht uns die ÖH-Wahl an?

Bild: Michael Bonvalot

Von 19. bis 21. Mai wählen Österreichs Studierende ihre Bundesvertretung. Wir erklären euch, wer zur Wahl steht und warum ihr wählen gehen sollt.

[Erstveröffentlichung: Vice] Die meisten Studierenden haben eigentlich recht ähnliche Probleme: die Kosten für Wohnen, Mobilität und Leben, der Druck im Studium sowie die Vereinbarkeit von Studium, Nebenjob und etwaigen Betreuungspflichten. Für Drittstaatsangehörige kommen noch Stress mit Studiengebühren oder Visum hinzu.

Die Österreichische HochschülerInnenschaft, als gesetzliche Interessenvertretung aller Studierenden des Landes, hat den Anspruch, auf die meisten dieser Fragen sinnvolle Antworten zu entwickeln und Unterstützung zu organisieren.

Dementsprechend gibt es auf der ÖH beispielsweise Beratung und Information zu sozialen Fragen, zu Stipendien oder zur Studienwahl. Im Rahmen des sogenannten „allgemeinpolitischen Mandats“ äußert sich die ÖH auch zu gesellschaftspolitischen Fragen. Dieses Mandat wird von den konservativen und rechten Fraktionen immer wieder in Frage gestellt und von den linken Fraktionen vehement verteidigt.

Die ÖH-Wahl betrifft einen ganzen Haufen Leute, in Österreich studieren derzeit rund 280.000 Menschen. Vor allem in den Ballungsräumen stellen Studentens damit einen wesentlichen Anteil an der Bevölkerung. Wien ist mit 180.000 Studierenden, rund 10 Prozent der Bevölkerung, sogar die größte Uni-Stadt im deutschsprachigen Raum. Auf den Plätzen zwei und drei folgen Graz mit 50.000 und Innsbruck mit 35.500 Studierenden. Für Graz bedeutet das, dass knapp 20 Prozent der Bevölkerung studieren, in Innsbruck ist es sogar mehr als ein Viertel.

Wie Studierende in Österreich leben und welche Probleme sie haben, wurde zum letzten Mal 2011 in der Studierenden Sozialerhebung erfasst. Die nächste Erhebung wird gerade durchgeführt und wird im Laufe des Jahres 2015 erscheinen. Dieser lange Zeitraum ist naturgemäß nicht ideal. So sagen ÖH-FunktionärInnen beispielsweise, dass der Anteil arbeitender Studierender heute deutlich höher ist als 2011.

Doch trotz dieser Schwäche gibt der Bericht interessante Einblicke. So sind die Wohnkosten allein zwischen 2009 und 2011 um rund 7 Prozent gestiegen und bedeuten eine enorme finanzielle Belastung. Ebenfalls aufschlussreich ist, dass 2011 63 Prozent der Studierenden erwerbstätig waren, 10 Prozent sogar Vollzeit, also im Ausmaß von mindestens 35 Stunden. Stipendien allein können also die nötigen Kosten kaum mehr tragen, gleichzeitig macht natürlich eine steigende Erwerbsquote das Studieren schwerer. Hier gibt es übrigens eine neuere Studie aus dem Jahr 2014, durchgeführt von der ÖH und der Gewerkschaftsjugend der Privatangestellten. Laut dieser müssen mittlerweile 84 Prozent der Studierenden neben dem Studium arbeiten.

Schließlich zeigt der Bericht auch die immer noch mangelnde Durchlässigkeit des Bildungssystems. So ist die Wahrscheinlichkeit, ein Universitätsstudium aufzunehmen, für Kinder bildungsnaher Familien etwa dreimal höher, als für Kinder bildungsferner Schichten. Angesichts dieser Zahlen ist nachvollziehbar, warum es im aktuellen ÖH-Wahlkampf nicht nur um die Uni geht, sondern gesellschafts- und vor allem auch sozialpolitische Fragen eine wichtige Rolle spielen.

Die Wahlen zur Studierenden-Vertretung können allerdings immer weniger Studis an die Urne bringen. Nicht einmal ein Drittel wird voraussichtlich an der Wahl teilnehmen, gerade einmal 28 Prozent waren es 2013. Diese Zahl wird zwar wohl dadurch ein wenig relativiert, dass gar nicht so wenige Studierende ihren Lebensschwerpunkt nicht auf der Uni haben, sondern etwa neben dem Job studieren, dennoch ist diese Zahl bemerkenswert. Die konservativen und rechten Fraktionen begründen die niedrige Wahlbeteiligung oft mit den (linken) politischen Positionen der ÖH-Mehrheit. Das scheint allerdings nicht ganz schlüssig, müssten doch sonst konsequenterweise die Oppositions-Fraktionen bei den Wahlen gestärkt werden, was in den letzten Jahren nicht passiert ist.

Es scheint, dass für viele Studierende die Vertretung schlicht keine besondere Relevanz hat. Das allerdings ist erstaunlich, denn es sollte doch eine relevante Frage für alle StudentInnen sein, wer sie in wichtigen gesellschafts- und unipolitischen Fragen gegenüber der Öffentlichkeit, gegenüber der Regierung sowie auf der Uni vertritt.

Derzeit wird die Exekutive, also die „Regierung“, der ÖH von einer linken Vierer-Koalition aus dem sozialistischen VSSTÖ, der grün-nahen GRAS, den Fachschaftslisten sowie der FH-Liste FEST gebildet. Erstmals seit vielen Jahren gibt es dabei heuer auch wieder eine direkte Wahl zur Bundesvertretung. Die schwarz-blaue Bundesregierung hatte diese 2004 abgeschafft und stattdessen eine indirekte Wahl eingeführt, die den kleineren Unis überproportional viele Mandate verschafft hatte. Das sollte die Fachschaftslisten und insbesondere die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft bevorzugen und hätte dazu führen können (und wohl sollen), die „linke“ Mehrheit in der Bundesvertretung zu brechen. Die Idee ging allerdings nicht auf, seit 2001 regieren in der ÖH durchgehend linke Koalitionen in verschiedenen Zusammensetzungen.

Bundesweit kandidieren (in der Reihung des letzten Wahlergebnisses) in diesem Jahr:

– die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft (AG)
– die Fachschaftslisten Österreich (FLÖ)
– der Verband sozialistischer Student_innen (VSStÖ)
– die Grünen und Alternativen StudentInnen (GRAS)
– der NEOS-Ableger Junge liberale Studierende (JUNOS)
– der Ring freiheitlicher Studenten (RFS)
– der Kommunistische StudentInnenverband KJÖ (KSV KJÖ)
– der Kommunistische Student_innenverband – Linke Liste (KSV-Lili)
– die FH-Gruppe Fraktion Engagierter Studierender (FEST) sowie neu die beiden Fraktionen
– „Die Liste“, der Studi-Ableger der Satire-Partei DIE PARTEI und
– STULIFE, die der türkischen konservativen Regierungspartei AKP nahe steht

Die Parteilisten sind dabei politisch relativ leicht zuordenbar, wobei einerseits VSStÖ und GRAS deutlich links von ihren Mutter-Parteien stehen und andererseits der RFS noch eindeutiger als die FPÖ ein Sammelbecken von rechtsextremen Burschenschaften darstellt.

Die Aktionsgemeinschaft legt besonderen Wert darauf, unabhängig zu erscheinen und betont gerne ihre Service-Orientierung. Angesprochen auf die Finanzierung des AG-Wahlkampfes druckste allerdings Spitzenkandidat Jens Eipper bei der sogenannten Elefantenrunde etwas von „Plakatspenden“ durch die ÖVP. Augenscheinlich ist jedenfalls, dass die ÖVP ihren politischen Nachwuchs oft und gern aus der AG rekrutiert (so ist etwa Staatssekretär Mahrer ein ehemaliger Bundesobmann der AG). Die JUNOS bewegen sich auf der wirtschaftspolitischen Linie der NEOS, im Wahlkampf fällt vor allem auf, dass sie als einzige Fraktion ganz eindeutig Studiengebühren fordern.

Etwas unklarer in Bezug auf Studiengebühren ist der RFS. Auf Wahlkabine.at gibt der RFS an, für Studiengebühren zu sein, mit dem Hinweis, dass das Herkunftsland entscheiden solle. Auf der eigenen Seite sagt der RFS, er sei bei Studiengebühren „verhandlungsbereit“, will aber gleichzeitig „für jeden Österreicher“ den freien Hochschulzugang erhalten. Im Standard wiederum spricht sich der RFS eindeutig für Studiengebühren aus. Nachdem allerdings ohnehin alle anderen Fraktionen den RFS als Koalitionspartner ablehnen, ist eher auszuschließen, dass der RFS die Verhandlungen auch führen wird, zu denen er bereit ist.

Inhaltlich schwieriger zu bewerten sind die Fachschaftslisten sowie die Fachhochschul-Liste FEST. Beide sind seit der vorletzten Wahl 2011 in einer Koalition mit VSStÖ und GRAS. Während die FEST sich selbst als eindeutig „links“ versteht, ist die Fachschaftsliste politisch oft schwer einzuschätzen und betont vor allem ihre Unabhängigkeit. Das führt dazu, dass auf verschiedenen Unis sehr verschiedene Leute bei den „Flöten“ aktiv sind (wie die FLÖ oft despektierlich genannt wird). Der aktuelle JUNOS-Spitzenkandidat Swatek etwa trat bei der letzten Wahl noch für die FLÖ an.

Eine Besonderheit stellen die beiden gleichnamigen kommunistischen Kandidaturen dar, die übrigens gemeinsam fast doppelt so stark sind wie die Freiheitlichen. Der KSV hat sich vor einigen Jahren in KSV KJÖ und KSV-Lili gespalten, Hintergrund waren und sind scharfe gesellschaftspolitische Differenzen. Der KSV KJÖ vertritt sogenannte „antiimperialistische“ Positionen, während der deutlich kleinere KSV-Lili „antideutsche“ Linien propagiert, also insbesondere die Politik des Staates Israel unterstützt. Diese Diskussion um „antiimperialistisch“ vs. „antideutsch“ bildet übrigens auch einen immer wieder aufflammenden Streitpunkt zwischen VSStÖ und GRAS in der ÖH. So engagieren sich VSStÖ und KSV KJÖ seit Jahren bei der „Offensive gegen Rechts“, während GRAS und KSV Lili das inzwischen aufgelöste antideutsche Bündnis „No WKR“ unterstützten.

Viele Studierende, die sich noch nicht sicher sind, was sie wählen sollen, haben versucht, sich über die Plattform wahlkabine.at einen Eindruck zu verschaffen. Die Antworten sind allerdings insbesondere, was die „progressiven“ Fraktionen betrifft, nicht wahnsinnig erhellend. VSStÖ und KSV KJÖ sind sich in allen 25 Fragen einig, das gleiche gilt für GRAS, KSV Lili und FEST. Der einzige Unterschied zwischen den beiden Blöcken ist, dass Erstgenannte gegen ein einkommensunabhängiges Grundeinkommen für Studierende eintreten, während die drei Letztgenannten das befürworten. Unterschiede werden bestenfalls durch die Gewichtung der einzelnen Fragen sowie die ergänzenden Kommentare der Fraktionen sichtbar. Ausgehend von der These, dass sich die verschiedenen Fraktionen inhaltlich durchaus voneinander unterscheiden, kann die Frage gestellt werden, ob die Auswahl der Fragen nicht ein wenig zu allgemein war.

Die Fachschaftslisten unterscheiden sich ein wenig von ihren aktuellen und möglicherweise künftigen Koalitionspartnern, weil sie nicht wollen, dass sich die ÖH für einen kostenfreien Zugang zum Schwangerschaftsabbruch sowie für vermögensbezogene Steuern zur Finanzierung der Hochschulen einsetzt. Auf der „rechten“ Seite gibt es insbesondere in wirtschaftspolitischen Fragen starke Überschneidungen zwischen den JUNOS und dem RFS. Zu nennen wären etwa die Frage, ob die ÖH für Mietzinsobergrenzen eintreten soll oder ob die HochschülerInnenschaft gegen unbezahlte Praktika aktiv werden soll. In beiden Fällen sind sich JUNOS und RFS in ihrer Ablehnung einig. Auch in der Elefantenrunde platzierte der ORF diese beiden Spitzenkandidaten nebeneinander, Moderator Armin Wolf erklärte das mit dem hohen Ausmaß an Übereinstimmung beim Wahlkabine-Resultat.

Ein alter Satz sagt, dass Wahlen verboten wären, wenn sie tatsächlich etwas ändern könnten. Und tatsächlich haben Basis-Bewegungen wie die Audimax-Proteste gesellschaftlich sicherlich mehr an Bewusstsein für die Anliegen von Studierenden geschaffen, als die ÖH. Dennoch macht es selbstverständlich einen Unterschied, welche Fraktion dich in den nächsten zwei Jahren vertritt.

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