Der braune Ulrichsberg

Heute Kopf hinter rechten Coronademos: Martin Rutter (1. v. l.) hält eine Rede vor Mitgliedern der Ulrichsberggemeinschaft (1.10.2017). Bild: Jkriegl, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons

Österreich: Kärntner Treffen zieht europaweit Nazis an. ÖVP-Mann, der noch vor einigen Jahren dort aufrat, sollte Geheimdienstchef werden.

[Erstveröffentlichung: Junge Welt] Es sei nicht angebracht, »über die Toten zu richten«. Das müsse Gott überlassen werden. So tönte es im Jahr 2010 vom Rednerpult des Ulrichsbergtreffens in der Nähe der Kärntner Landeshauptstadt Klagenfurt. Über welche Toten nicht gerichtet werden solle, war zweifellos für alle Anwesenden klar: Der Ulrichsberg ist eine europaweit bekannte Pilgerstätte für extreme Rechte und Schauplatz für ein wichtiges Vernetzungstreffen der Szene.

Der Mann, der über diese Toten nicht richten wollte, heißt Stephan Tauschitz. Zum Zeitpunkt der Rede vor den zahlreich angereisten extremen Rechten, Alt- und Neonazis war er Vorsitzender der ÖVP-Fraktion im Kärntner Landtag. Ein Karrierehindernis für den weiteren Aufstieg? Keineswegs. Denn am 1. Februar 2022 wurde der ÖVP-Mann Tauschitz der neue Leiter des Kärntner Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT), also des Inlandsgeheimdienstes.

Bock zum Gärtner

An sich ist es bereits verwunderlich, dass ein hoher Parteifunktionär Geheimdienstchef werden kann. Doch im Fall Tauschitz hatte diese Personalentscheidung nochmals zusätzliche Brisanz bekommen. Denn sie bedeutete konkret, dass der zweimalige Redner beim Naziaufmarsch nun selbst für die Beobachtung der extremen Rechten verantwortlich wurde. Mehr »Bock zum Gärtner machen« geht kaum. Doch immerhin: Der Dienstweg war vermutlich kurz.

Erst nach tagelanger öffentlicher Entrüstung in Österreich wie international wurde Tauschitz am 11. Februar wieder abgezogen. Doch sogar dann noch mit einer Hintertür: Die Versetzung würde »bis auf weiteres« gelten, ließ die Kärntner Polizei verlauten. Zuvor hatte die Landespolizeidirektorin Michaela Kohlweiß noch erklärt, kein Problem mit dem Auftritt von Tauschitz beim Nazitreffen zu haben. Es hätte bei ihm schließlich keine »Verstöße wie etwa gegen das Verbotsgesetz« von 1947 gegen sogenannte nationalsozialistische Wiederbetätigung gegeben. Eine beachtlich niedrige Latte für einen Geheimdienstchef.

Ein Ehrenhain für die SS

Dabei macht ein Blick auf die Ulrichsberggedenkstätte sehr schnell klar, über welche Toten Tauschitz nicht richten wollte. Im »Ehrenhain« reiht sich Gedenktafel an Gedenktafel. Etwa für die Waffen-SS-Divisionen aus den Niederlanden. Oder für die Waffen-SS-Divisionen aus Lettland. Und selbstverständlich auch für die »Kameradschaft IV« der ehemaligen österreichischen Waffen-SS-Angehörigen.

Eine Gedenktafel gibt es auch für die ärztliche Akademie der SS, gegründet in Berlin und 1940 nach Graz verlegt. Deren Mitglieder sollten gleichermaßen »politische Soldaten und Ärzte« sein, sie folterten und mordeten in den Konzentrationslagern. Gleich unter dieser Tafel hängt eine offizielle des österreichischen Bundesheeres und der Polizei: »den toten Kameraden zum Gedenken«.

Fast alle machen mit

Bereits seit 1958 findet das Ulrichsbergtreffen so gut wie jedes Jahr statt. In der Kärntner Politik war es über viele Jahre fest etabliert. Für die ÖVP wie für die Sozialdemokratie war es die längste Zeit völlig selbstverständlich, vor den Nazis aufzutreten: Die SPÖ stellte bis 2009 sogar den Präsidenten der Ulrichsberggemeinschaft. Kritiker verglichen die Kärntner Sozialdemokratie über viele Jahre mit einem Punschkrapfen, einer beliebten österreichischen Süßspeise: außen rosa, innen braun.

Ebenfalls gerne gesehen waren die alten Nazis bei der FPÖ. Der damalige FPÖ-Chef Jörg Haider lobte Veteranen der Waffen-SS anlässlich der Ulrichsbergfeiern im Jahr 1995 gar, diese seien »anständige Menschen«, die »ihrer Überzeugung bis heute treu geblieben sind«. Auch später traten einschlägige Gestalten am Ulrichsberg auf: 2017 etwa Martin Rutter, derzeit der zentrale Organisator der rechtsdominierten Coronademonstrationen in Österreich. Widerstand gegen den Naziaufmarsch kam zumeist nur von Linken und aus der slowenischen Minderheit.

Auch das offizielle Österreich war über viele Jahre am Ulrichsberg vertreten: Bis 2009 beteiligte sich das Bundesheer sogar mit Logistik und organisatorischer Unterstützung am Nazigedenktreffen. Die Aussage von Tauschitz, über die Toten dürfe nicht gerichtet werden, war als Kritik an dem Ende dieser Kooperation gedacht. Der ÖVP-Mann ist übrigens weich gefallen: Tauschitz werde nun im Bereich »Organisation und Strategie« eingesetzt, so ein Polizeisprecher.

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