Die bewegte Geschichte der Opernballdemo

Die Opernballdemo 2004. Screenshot: Austria.kanalb.at

[FM4] Von Waldheim über Schwarz-Blau bis ins Jahr 2017: Der Wiener Opernball wurde in den letzten 30 Jahren immer wieder von großen und teils gewaltsamen Demos begleitet. 

Erstveröffentlichung: FM4, 21.02.2017  Einmal im Jahr, üblicherweise am letzten Donnerstag vor dem Aschermittwoch, schwingen die Reichen und angeblich Schönen in der Wiener Staatsoper das Tanzbein. Es wird gustiert, es wird gespeist, es wird genetworked. Vor den TV-Geräten darf die breite Masse dabei zusehen.

Ein Abend am Wiener Opernball geht ganz schön ins Geld. Allein die Eintrittskarte kostet 290 €, ein Tisch für sechs Personen außerhalb des Ballsaals 1.200 €, eine Loge über 20.000 €. Auch Essen und Trinken geht beim Opernball ins Geld: 2016 musste man für ein Seidel Bier etwa 8,50 € bezahlen, für ein Paar Würstel 10,50 €.

Der Opernball steht immer wieder in der Kritik, unter anderem wegen der Zurschaustellung von Einfluss, Reichtum und Macht. 2017 wird der Ball an der Wiener Ringstraße nun zum ersten Mal seit mehreren Jahren wieder mit Protesten konfrontiert werden: Die Opernballdemo ist zurück.

Am Anfang war Wackersdorf

Begonnen hat alles im Jahr 1987. Der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß kündigte seinen Besuch zum Ballvergnügen in Wien an. Bayern stand zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als ein Jahr unter dem Eindruck der Massenproteste gegen die geplante atomare Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf.

Strauß galt auch aufgrund seiner weit rechts stehenden politischen Positionen als hoch umstritten. „Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben“, hatte er etwa im Jahr zuvor erklärt.

Kalter Krieger empfängt Pflichterfüller

Empfangen werden sollte der ehemalige deutsche Verteidigungsminister Strauß von Kurt Waldheim. Dieser war ein Jahr zuvor nach einem enorm polarisierten Wahlkampf auf einem ÖVP-Ticket zum österreichischen Bundespräsidenten gewählt worden. In der NS-Zeit hatte Waldheim als Oberleutnant am Balkan gekämpft und zumindest Kenntnis von Kriegsverbrechen. Später erklärte er, er hätte nur seine Pflicht erfüllt.

Die Stimmung war also brisant und aufgeheizt. Die Grüne Alternative Wien beschloss, eine Protestaktion zu organisieren. Mehrere hundert Menschen protestierten vor der Oper, am späteren Abend eskalierte die Lage. Die Polizei versuchte, die Demo unter Einsatz von Schlagstöcken aufzulösen, die DemonstrantInnen leisteten Widerstand. Am nächsten Tag waren die Medien voll mit Berichten über die „Krawalle“ auf der Opernballdemo.

Deutsche Terrorprofis

Immer wieder wurden in diesen Tagen angeblich deutsche DrahtzieherInnen der Demonstrationen ausgemacht – bis heute nach Demos ein Fixpunkt in der Berichterstattung der Boulevard-Medien. Die Wiener Rock-Kabarett-Band Drahdiwaberl nahm diese Fixierung der Medien mit ihrem legendären „Terrorprofi aus der BRD“ auf die Schaufel.

In den folgenden drei Jahren sollte die Opernballdemo zum wichtigsten Fixpunkt im Kalender der österreichischen Linken werden. Organisiert wurden die Proteste hauptsächlich aus dem Spektrum der linksradikalen „Autonomen“. 1988 demonstrierten bereits rund 3.000 Menschen gegen den Opernball – trotz Verbots der Demonstration durch die Polizei.

Die Polizei soll dabei brutal gegen die DemonstrantInnen vorgegangen sein. Eine Frau blieb sogar verletzt unter einem Polizeiauto liegen. Ein damaliger Teilnehmer der Demo spricht von massiven Übergriffen: „Nach meinem Eindruck fuhren die Rettungswagen mit Verletzten der Reihe nach ins AKH. Auch die Demo-Sanitäter, die in der Technischen Uni stationiert waren, hatten alle Hände voll zu tun.“

Vollbeschäftigte Demo-Sanitäter

Der Aktivist erzählt, dass damals sogar ein hochrangiger Polizist aus Protest gegen die Übergriffe den Dienst verweigert hätte. Als Reaktion auf die Angriffe der Polizei „flogen vereinzelt Steine und Flaschen“, wie der Autor Robert Foltin in „Und wir bewegen uns doch“, einer Geschichte der sozialen Bewegungen in Österreich, vermerkt.

1989 erhielt die Demonstration weiteres Feuer. In den 1970er und 1980er Jahren gab es eine ganze Reihe großer Hausbesetzungen in Wien, etwa die Arena, das Amerlinghaus oder das WUK. 1988 räumte dann die Polizei den von Autonomen besetzten Häuserkomplex Aegidigasse/Spalowskygasse beim Wiener Westbahnhof.

Rache für die Räumung

Bei der Räumung soll die Polizei eine regelrechte Prügelstraße aufgebaut wurden, durch den die BesetzerInnen das Haus verlassen mussten. Die Aegidi/Spalo war für viele sowohl Wohnraum wie politisches und soziales Zentrum gewesen – die Wut in der Szene war groß.

Am 2. Februar 1989 versammelten sich wiederum tausende Menschen, um gegen den Opernball auf die Straße zu gehen. Das Motto der Demonstration: „Eat the rich“. Die Demonstration eskalierte völlig, einige DemonstrantInnen setzten nahe der Oper sogar einen Mercedes als Rammbock gegen die Polizeisperren ein.

Es kam zu stundenlangen Straßenschlachten mit der Polizei, die immer wieder in Wellen vorrückte. Vor allem rund um den Karlsplatz und den Resselpark kam es zu Auseinandersetzungen. Die Polizei ging dabei mit Gummiknüppeln und einem Feuerwehrauto gegen die DemonstrantInnen vor, der zum Wasserwerfer umgebaut worden war.

Kritik am Vorgehen der Polizei

Die Bilder der Demo gingen in den kommenden Tagen durch die Medien, zunehmend wurden kritische Stimmen über das Vorgehen der Polizei laut. Im folgenden Jahr ein ähnliches Bild: Tausende DemonstrantInnen, intensive Kämpfe mit der Polizei. In diesem Jahr zeigte sich allerdings ein neuer Faktor: Organisierte Neonazis griffen die Opernballdemo an.

Die VAPO (Volkstreue außerparlamentarische Opposition) rund um ihren Führer Gottfried Küssel hatte sich in den Jahren zuvor bei Wehrsportübungen bereits auf den Ernstfall vorbereitet. [Ergänzung zum Artikel auf FM4: In der Dokumentation „Wahrheit macht frei“ aus dem Jahr 1991 sind Filmaufnahmen eines solchen Wehrsportlagers zu sehen.]

 

An einer diese Wehrsportübungen hat übrigens auch Heinz-Christian Strache teilgenommen, seine Teilnahme allerdings laut eigener Aussage wieder abgebrochen.

Neonazis greifen an

Die Opernballdemo sollte nun als Übungsfeld der VAPO dienen. Das „Tatblatt“, die damals zweiwöchentlich erscheinende wichtigste Zeitschrift der Autonomen, schrieb danach von „Faschogruppen mit Helmen und Schlagstöcken“ und berichtete von einer ganzen Reihe von schweren Angriffen von Neonazi-Gruppen auf die Demonstration.

Der damalige VAPO-Kameradschaftsführer Alexander F. bestätigte diese Angriffe später in einer Aussage, die vom kürzlich verstorbenen Antifaschismus-Experten Wolfgang Purtscheller in seinem Recherche-Buch „Aufbruch der Völkischen“ zitiert wird.

Wiederum kam es auch zu stundenlangen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Die Polizei ging dabei äußerst brutal vor. Die Grünen sprachen in Folge von einem „Terroreinsatz gegen eine friedliche Mehrheit der Opernballdemonstranten“. Die Sozialistische Jugend Oberösterreich von „Treibjagden“ und „Prügelorgien“. Die AktivistInnen der SJ aus Oberösterreich waren dabei besonders betroffen.

Schwerste Verletzungen

Der damalige Landessekretär der Organisation, Christian S., wurde von heranstürmenden Polizisten ins Gesicht geschlagen und so schwer verletzt, dass zuerst unklar war, ob er sein Auge verlieren würde. (Die Erklärungen von SJ OÖ und Grünen können hier nachgelesen werden) S. klagte danach gegen die Republik und gewann seinen Prozess.

Doch auch die DemonstrantInnen waren auf Auseinandersetzungen vorbereitet. Motorradhelme und Knüppel waren keineswegs unüblich, wie eine Aktivistin erzählt. Dazu kamen Lederjacke und Palästinensertuch als die linke Standard-Kleidung jener Tage.

Soziale Widersprüche

Die Demo war mittlerweile weit über Wien hinaus zum Symbol geworden, einerseits für überbordende Polizeigewalt, andererseits als wichtiger Treffpunkt der Linken. Auch immer mehr Jugendliche aus den Vorstädten beteiligten sich an den Auseinandersetzungen. Renate Nahar, die damals an der Organisierung der Proteste beteiligt war, erklärt die Bedeutung: „Diese Demo ging weit über die linke Szene hinaus. Es war ein wichtiger Protest, wo auch soziale Widersprüche thematisiert wurden.“

Demoplakat Eat the Rich

Plakat für die Opernballdemo 1989

Für Nahar ist die Opernballdemo nur mit den damaligen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen erklärbar: „Mitte der 1980er Jahre begann in Österreich eine Welle des Sozialabbaus. Breite Teile der Bevölkerung waren unzufrieden, auf der Opernballdemo manifestierte sich diese Wut.“

Das folgende Jahr brach allerdings die Dynamik der Proteste. 1991 wurde der Opernball abgesagt, als Begründung wurde der Ausbruch des ersten Golfkriegs genannt.

Zeiten der Ruhe

Ein Protestzyklus ging zu Ende, sagt Nahar: „Die Systeme in Osteuropa brachen zusammen, danach hörten wir für einige Jahre nur noch vom angeblich alternativlosen Kapitalismus.“ Nahars Einschätzung: „Damit war ein größerer, gesellschaftlich zugkräftiger Antikapitalismus für einige Zeit tot“.

In den folgenden Jahren demonstrierten meist nur wenige hundert Menschen gegen den Ball, Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei inklusive. Unter dem Eindruck der deutschen Wiedervereinigung und zunehmender Fremdenfeindlichkeit konzentrierte sich die Linke vor allem auf das Thema Antifaschismus. Auch eine neue Demo bildete nun für einige Zeit den Fixpunkt im Protest-Kalender.

Plakat zur Antifa-Demo am 20.04.1993 in Wien

Jedes Jahr an Hitlers Geburtstag, dem 20. April, wurde ab dem Beginn der 1990er Jahre in Wien gegen Rechts demonstriert. Auch eine politische Wachablöse fand statt, neue Akteure traten auf: nachdem die Opernballdemo noch von autonomen Strukturen organisiert worden war, übernahm für den 20. April die trotzkistische Frontorganisation „Jugend gegen Rassismus in Europa“ die Verantwortung. Die Proteste gegen den Opernball begannen erst wieder ab dem Jahr 2000.

Ein neuer Zyklus beginnt

Nach der Angelobung der schwarz-blauen Regierung am 4.2.2000 wurde jeden Donnerstag gegen die neue Regierung protestiert. Der Opernball fand ja traditionell ebenfalls am Donnerstag statt. Somit waren an diesem Tag bis zu 15.000 Menschen auf der Straße und erweckten damit die Demo aus dem Dornröschenschlaf. Eine andere Protestform wählte in diesem Jahr der Künstler Hubsi Kramar.

Er verkleidete sich als Adolf Hitler und ließ sich in einer Limousine direkt vor die Oper kutschieren. Unter dem Blitzlichtgewitter der internationalen Presse betrat Kramar die Oper, bevor er festgenommen wurde. Die Proteste verliefen an diesem Tag trotz der hohen Anzahl an TeilnehmerInnen weit friedlicher als zu Beginn der 1990er, wie auch das „Tatblatt“ konstatierte.

Hubsi Kramar am Opernball. Quelle: Youtube

Im folgenden Jahr eskalierte die Demonstration allerdings erneut. Rund 1000 AktivistInnen waren auf der Straße, die „Rechtshilfe Wien“ berichtete von einer „friedlichen und lustigen Demonstration bis zu dem Zeitpunkt, als die Polizei an der ersten Sperre (…) ganz massiv auf die DemonstrantInnen einprügelte“.

Laut Rechtshilfe seien in verschiedenen Spitälern reihenweise Verletzte behandelt worden, zwei Personen sollen sogar stationär behandelt worden sein. Insgesamt seien 42 Personen festgenommen worden. Nach der Demonstration wurde auch das autonome Zentrum „Ernst Kirchweger Haus“ in Wien-Favoriten von der Polizei gestürmt und durchsucht.

Skepsis macht sich breit

Doch die Opernballdemos der frühen 2000ern blieben ein Aufflackern. Ein wesentlicher Grund dafür war die zunehmende Skepsis großer Teile der Wiener Linken gegenüber der Demo (die schon zum Einschlafen der Proteste nach 1990 geführt hatte). Kaum jemand wollte die Verantwortung für die Proteste übernehmen.

Die Demonstration hatte sich bereits im ersten Zyklus von Jahr zu Jahr militarisiert. Autor Robert Foltin schrieb, dass bereits nach der Demo 1990 innerhalb der autonomen Szene Kritik laut geworden war, dass „die Krawalle bloß zu einem jährlichen Ritual würden“.

Auch eine ehemalige Aktivistin berichtet: „Wesentliche Teile der organisierten Linken blieben bald fern, weil sie diese Form der Auseinandersetzungen nicht mehr mittragen wollten.“ Übrig blieben oft kleinere Gruppen von Jugendlichen, die meist extra für die Demo nach Wien anreisen und wenig Erfahrung hatten. „Die wurden dann meist sehr schnell von der Polizei eingekesselt und kriminalisiert“, so die Aktivistin.

Und auch hier übernahm wieder eine andere Demonstration die Rolle im jährlichen Protest-Zyklus. Seit mehreren Jahren stellen die Proteste gegen rechtsextreme Burschenschafter, besondere rund um den Akademikerball, das zentrale Mobilisierungsevent für die Linke dar.

2017 lautet das Motto: „Eat the rich“

Heuer findet wieder eine Demo gegen den Opernball statt, organisiert von der Kommunistischen Jugend, die unter dem Motto „Eat the Rich“ gegen den Ball auf die Straße gehen möchte. Damit schließt die KJÖ an das Motto der Demo von 1989 an.

David Lang, Vorsitzender der KJÖ erklärt die Motive für den Protest: „Am Opernball feiern sich die Reichen und ihre Handlanger im Parlament ab, während über eine Million Menschen arm oder armutsgefährdet sind. Gegen diese Ungerechtigkeit wollen wir ein starkes Zeichen setzen.“

In der Oper werden heuer laut Veranstalter rund 5500 BesucherInnen feiern. Wie groß die Zahl derer sein wird, die dagegen auf die Straße gehen, wird sich diesen Donnerstagabend zeigen.

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