Milde für todernste Truppe

Auftritt der EA mit ihrer Fahne beim abtreibungsfeindlichen "Marsch für die Familie" am 14.6.2014 in Wien. Bild: Daniel Weber

[jw] Österreich: Schuldsprüche unter Mindeststrafmaß gegen Neonazis des militanten Netzwerks »Europäische Aktion«. Auch in BRD hochaktiv.

[Erstveröffentlichung: junge welt] Die »Volksverratspolitiker« würden nur noch drei Möglichkeiten übriglassen: »Die Kommandounternehmung, den Staatsstreich, den Militärputsch! Solange den Verratspolitikern keine körperliche Gewalt angetan wird, wird sich überhaupt nichts bewegen!« Das schreibt Hans Berger im Januar 2016 in einer E-Mail an die FPÖ Niederösterreich. Es ist eine Botschaft, die in ihrer Eindeutigkeit alle Alarmglocken schrillen lassen müsste. Doch in der FPÖ will sich heute niemand an die Nachricht erinnern.

Dabei müssten diese Zeilen buchstäblich todernst genommen werden. Denn Berger ist kein Sonderling. Er ist zu diesem Zeitpunkt der österreichische Landesleiter der »Europäischen Aktion« (EA), einer militanten internationalen Neonazitruppe. Aktiv war die EA vor allem in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Beste Kontakte gab es auch zu den Neonazis der »Ungarischen Nationalen Front« (MNA), wo Kader der EA an Wehrsportlagern teilnahmen. Die Gruppe ist gut vernetzt: Bereits an der Gründung im Jahr 2010 nahm unter anderem die deutsche Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck teil, eine Ikone der Naziszene. Es finden sich auch Schnittpunkte zur FPÖ.

Das sind die Waffen der Neonazis und Rechtsextremen

Nach langen Ermittlungen wurde ab Dezember 2020 am Landesgericht Wien gegen erste Mitglieder der EA verhandelt. Die Anklage: Hochverrat, die Wiederherstellung »nationalsozialistischer Organisationen« sowie die Wiedererrichtung eines »großdeutsches Reichs«. Am 22. Februar wurde das Urteil gefällt: Vier Verurteilungen wegen »NS-Wiederbetätigung« nach österreichischem Verbotsgesetz, ein Freispruch. Vom Vorwurf der Vorbereitung zum Hochverrat wurden alle Angeklagten freigesprochen.

Zuvor hatten sich die Verurteilten der Wiederbetätigung schuldig bekannt, nicht jedoch des Hochverrats. Die Urteile fielen außerordentlich milde aus. Zweimal fünf Jahre Freiheitsstrafe, vier davon auf Bewährung. Damit werden die beiden Männer vermutlich eine Fußfessel beantragen können und nicht ins Gefängnis müssen. Dazu einmal vier Jahre und einmal drei Jahre, ebenfalls auf Bewährung. Die Mindeststrafe lag eigentlich bei zehn Jahren. Das Gericht musste außerordentliche Strafmilderungsgründe anwenden, um auf dieses Urteil zu kommen. Das kommt äußerst selten vor.

EA-Landesleiter Berger starb 77jährig im August 2018 in der Untersuchungshaft, nachdem er Ende 2016 festgenommen worden war. Der damalige Präsident des deutschen Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, warnte den österreichischen Geheimdienst BVT bereits im Juli 2015, dass Berger propagieren würde, »konspirativ Vorbereitungen für einen bewaffneten Untergrundkampf zu treffen«. Das geht aus der Anklageschrift hervor, die die österreichischen Medien Der Standard und Profil veröffentlicht haben. Auch zur Ermordung der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde aufgerufen.

Österreichische Rechtsextreme feiern bei deutschem SS-Festival

Wie Berger starb auch der damals fast 90jährige Wiener Gebietsleiter der EA, Rudolf Vogel, noch vor dem Prozess. Vogel galt als bestens vernetzt in der faschistischen Szene und fungierte teils als Türöffner für die »Europäische Aktion«. Das Alter von Berger und Vogel verführte in der Berichterstattung über den Prozess teils dazu, die Truppe als Hirngespinst alter Männer darzustellen. Eine gefährliche Verharmlosung, warnte Mahriah Zimmermann vom Journalistenkollektiv »Prozessreport« am Montag im Gespräch mit junge Welt, die den Prozess in Wien beobachtete. »Bei der EA handelt es sich um international bestens vernetzte Neonazis.« Das »extrem milde« Urteil hält Zimmermann für »ein eindeutiges Signal, dass die Gefahr nicht ernstgenommen wird«.

Mehrmals wurden im Prozess auch die Strukturen der EA in Deutschland angesprochen. Offiziell soll sich die Truppe 2017 aufgelöst haben, damals wurden ihr rund 100 Personen zugerechnet. Es war die Reaktion auf eine große Razzia durch die Polizei. Insgesamt 14 Objekte, vorwiegend Wohnungen, wurden dabei durchsucht, die Objekte befanden sich im Südthüringer und Erfurter Raum sowie im niedersächsischen Göttingen. Die Gruppe war zu diesem Zeitpunkt bereits hochaktiv. So trat EA-Führungskader Axel Schlimper etwa auf Demonstrationen der rassistischen »Thügida« oder bei einem Aufmarsch gegen eine Geflüchtetenunterkunft auf. Die EA stellte zeitweise die technische Infrastruktur für rechte Demonstrationen. Auch bei den berüchtigten Rechtsrockkonzerten im thüringischen Themar war die »Europäische Aktion« präsent. Die Gruppe soll auch daran interessiert gewesen sein, bei der ungarischen MNA paramilitärische Trainings durchzuführen.

Der Prozess in Wien könnte nur der erste Auftakt gewesen sein. Prozessbeobachterin Zimmermann sagte gegenüber jW, dass im Gerichtssaal klargeworden sei, dass es bereits Ermittlungen gegen weitere bekannte Figuren aus der österreichischen Neonaziszene gäbe. Es ist ein weiterer deutlicher Hinweis, dass es sich hier nicht um eine randständige Gruppe handelt – sondern um ein ausgeprägtes Netzwerk militanter Neonazis.

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