Abschottungspläne treffen auf Proteste

Bild: Michael Bonvalot

[ND] Eine Großdemonstration am Donnerstag wendet sich gegen den EU-Gipfel in Salzburg / Erste Aktionen am Mittwoch

[Erstveröffentlichung: ND, 19.09.2018] Die Schwerpunkte der österreichischen Bundesregierung für den informellen EU-Gipfel in Salzburg sind eindeutig: »Migration, Außengrenzschutz, Sicherheit«, heißt es auf der Facebook-Seite des Bundeskanzleramtes. Einmal mehr will die Rechtsregierung beim Gipfel am Mittwoch und Donnerstag ihre bekannten Hauptthemen in den Mittelpunkt rücken.

Einzig die ebenfalls angekündigte Debatte um den Brexit passt nicht ganz zur Regie – doch der EU läuft langsam die Zeit davon, wenn der Brexit halbwegs geordnet über die Bühne gehen soll. Gleichzeitig kann Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sich bei diesem Thema staatsmännisch präsentieren. Entscheidungen zum Brexit werden aber vermutlich erst bei einem Sondergipfel im November fallen, der wiederum in Salzburg beschlossen werden dürfte.

Sinnloser Gipfel

Damit bleibt auch wieder mehr Raum für das Thema Migration. Bereits im Vorfeld des Gipfels tourte Kurz deshalb durch Berlin, Madrid, Paris und Rom. Dabei dürfte es um eine gemeinsame Linie in Salzburg gegangen sein. Auffallend ist, dass es beim Wunsch nach Abschottung kaum substanzielle Unterschiede zwischen den Rechtsregierungen in Österreich und Italien, der großen Koalition in Deutschland sowie der sozialdemokratischen Regierung in Spanien gibt. Differenzen zeigten sich eher geografisch als politisch.

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Denn auf der Agenda der österreichischen Ratspräsidentschaft und der EU-Kommission steht unter anderem der massive Ausbau der EU-Grenzschutzbehörde Frontex. Das wiederum würde bedeuten, dass geflüchtete Menschen künftig verstärkt bei der Ankunft in Italien, Spanien und Griechenland registriert werden. Diese Menschen könnten dann im Fall ihrer Weiterreise aufgrund des Dublin-Abkommens vom Norden der EU wieder in diese Länder abgeschoben werden.

Den Ausbau von Frontex hat Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bereits bei einem Besuch in Wien im Juli angekündigt. Künftig soll es nach dem Wünschen der Kommission rund 10.000 Frontex-Beamte geben. Aktuell hat Frontex laut Angaben der EU 315 feste Beschäftigte, medial kursieren Zahlen von bis zu 1600 Mitarbeitern.

Diese Bucht ist ein Symbol für das Sterben im Mittelmeer

Das Budget für Grenzschutz und Migration soll für den Zeitraum von 2021 bis 2027 ebenfalls drastisch erhöht werden. 35 Milliarden Euro sollen in diesem Bereich ausgegeben werden, was eine Verdreifachung bedeuten würde. Sebastian Kurz reicht das alles noch nicht, er fordert, dass die personelle Aufstockung bereits »bis 2020 erfolgen« solle.

Im Vorfeld des Gipfels verwies der österreichische Bundeskanzler als positives Beispiel auch auf die Diktatur in Ägypten. Gemeinsam mit EU-Ratspräsident Donald Tusk war Kurz vergangene Woche bei einem Kurzbesuch bei Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi. »Seit zwei Jahren fährt kein einziges Schiff (mit geflüchteten Menschen) von Ägypten weg. Es ist also schaffbar«, lobte er danach das Militärregime.

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Auch Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) wünscht sich eine verstärkte »Zusammenarbeit mit afrikanischen Partnern«, wie er bei einer eigenen Ministerkonferenz zu Sicherheit und Migration Mitte September in Wien erklärte. Es solle eine »Zusammenarbeit auf Augenhöhe zum wechselseitigen Vorteil« werden, sagt Kickl, der als zentraler Ideologe der FPÖ gilt. Dazu soll es Anfang Dezember auch einen EU-Afrika-Gipfel in Wien geben. Nicht ganz zur Augenhöhe passt eine Aussage von FPÖ-Wehrsprecher Reinhard Bösch. Der hatte Anfang September in einem Interview erklärt, dass in Nordafrika »mit militärischen Kräften ein Raum in Besitz genommen werden« sollte. In diesem besetzten Gebiet sollten dann Lager für flüchtende Menschen errichtet werden.

Der Gipfel in Salzburg wird von zahlreichen Protesten begleitet. Bereits seit vergangener Woche tagt der Alternativ-Gipfel unter dem Motto »Eine bessere Zukunft für alle«. Veranstalterin ist die Plattform »Solidarisches Salzburg«, die linke, zivilgesellschaftliche und gewerkschaftliche Organisationen vereinigt. In Veranstaltungen und Workshops werden dort unter anderem Flucht, soziale Grundrechte, Frauenrechte, Aufrüstung sowie mögliche Formen des Widerstands diskutiert.

»Wir wollen vor allem auch über soziale Themen sprechen, nicht nur über Abschottung. Wir wollen die Menschen in den Mittelpunkt stellen, nicht die Konzerne«, erklärt Alina Kugler von »Solidarisches Salzburg« gegenüber »nd«. »Für uns ist der internationale Austausch zentral. Wir müssen voneinander lernen, damit sich der Widerstand von unten entfalten kann«, sagt Christian Zeller von »Aufbruch Salzburg«, einer ökosozialistischen Organisation, die den Alternativ-Gipfel initiiert hat.

Die Proteste gegen den EU-Gipfel in Bildern

Am Mittwochabend soll eine erste Demonstration in Salzburg stattfinden. Bei einem »Marsch der Verantwortung« werden dort die Namen von 33.000 Menschen auf Plakaten durch die Stadt getragen, die im Mittelmeer ertrunken sind. Den Höhepunkt der Proteste bildet eine Großdemonstration am Donnerstag. Veranstalter sind »Solidarisches Salzburg« sowie die »Plattform Radikale Linke«. Der erste Block der Demonstration wird in Orange marschieren und so die Forderung nach Entkriminalisierung der Seenotrettung symbolisieren.

Die See-Retter von Samos

»Wenn ein Haus brennt und Menschen werden am Löschen gehindert, wären wir alle entsetzt. Genauso entsetzt sollten wir über das sein, was im Mittelmeer passiert«, sagt Stephan Prokop von der »Plattform Radikale Linke«. Weitere Themen auf der Demonstration sollen »soziale Grundrechte für alle in Europa sowie Arbeitszeitverkürzung statt einem 12-Stunden-Tag« werden, wie Alina Kugler erzählt.

Polizei und Militär sind während des Gipfels mit einem Großaufgebot präsent. 1750 Polizisten und 850 Soldaten sind im Einsatz, dazu kommen Kampfflugzeuge und bewaffnete Hubschrauber. In Salzburg gibt es umfangreiche Platzsperren, an den Grenzen finden Kontrollen statt. »Wir erwarten, dass wir unsere Großdemonstration ohne Repression durchführen können. Die Behörden müssen die Versammlungsfreiheit respektieren«, so Kugler.

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