Drecksarbeit

[AW] Zehntausende Menschen müssen in Österreich unter unwürdigen Bedingungen arbeiten. Die Profite wandern in die Taschen der Unternehmen.

[Erstveröffentlichung: Arbeit und WirtschaftEigentlich würde sich Yulia (Name von der Redaktion geändert) gern voll auf ihr IT-Studium konzentrieren. „Aber ohne Job geht es sich finanziell einfach nicht aus“, wie sie erzählt. Also geht Yulia vormittags auf die Uni und arbeitet abends und am Wochenende in einem Wiener Café. Angemeldet arbeiten darf die 23-jährige Ukrainerin mit ihrem Studierenden-Visum nur 20 Stunden – viel zu wenig, um die Ausgaben für Miete und die Lebenshaltungskosten zu decken.

Ich bekomme nur das halbe Urlaubs- und Weihnachtsgeld, nur das halbe Krankengeld, und wenn ich den Job verliere, viel weniger Arbeitslosengeld.

Also macht Yulia, was sehr viele Menschen tun: Sie arbeitet schwarz und kommt so auf einen 40-Stunden-Job. Die Folgen sind der Informatik-Studentin voll bewusst: „Ich bekomme nur das halbe Urlaubs- und Weihnachtsgeld, nur das halbe Krankengeld, und wenn ich den Job verliere, viel weniger Arbeitslosengeld.“ Auch bei Pension und Abfertigung wird für Yulia weniger rausspringen. „Doch was soll ich tun? Angemeldet darf ich einfach nicht mehr als 20 Stunden arbeiten.“

Unternehmen profitieren

Yulia glaubt, dass sie laut Kollektivvertrag auch besser bezahlt werden müsste. Doch dagegen rechtlich vorzugehen fällt ihr in ihrer Situation schwer. Wer davon profitiert, ist klar: der Besitzer des großen Cafés in der Wiener Innenstadt, in dem Yulia arbeitet. Denn er spart sich hohe Summen beim Lohn und bei den Lohnnebenkosten.

Menschen, die nach langer Arbeit viel zu wenig oder sogar gar keinen Lohn bekommen – das erleben wir immer wieder.

Solche Probleme kennt Heidrun Aigner, Geschäftsführerin der Beratungsstelle UNDOK, aus der täglichen Praxis sehr gut. „Menschen, die nach langer Arbeit viel zu wenig oder sogar gar keinen Lohn bekommen – das erleben wir immer wieder. Oft sind es Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus oder ohne gültige Aufenthaltstitel. Und es ist offensichtlich, dass diese Menschen von den Unternehmen gezielt betrogen werden.“

Unterstützung für Undokumentierte

UNDOK, das ist die „Anlaufstelle zur gewerkschaftlichen Unterstützung undokumentiert Arbeitender“. Hier werden Menschen ohne oder mit unsicherem Aufenthaltsstatus oder mit eingeschränktem Zugang zum Arbeitsmarkt beraten und unterstützt. Auch für EU-BürgerInnen gibt es eine Erstberatung. Diese Betroffenen werden dann an die Arbeiterkammer und den Österreichischen Gewerkschaftsbund weiterverwiesen. Dort gibt es auch muttersprachliche Beratung in verschiedenen Sprachen.

Fette Katzen

Die AK und die Gewerkschaften Bau-Holz, GPA-djp, vida und PRO-GE haben laut Geschäftsführerin Aigner eine tragende Rolle für die Arbeit von UNDOK. Ebenfalls beteiligt sind die ÖH-Bundesvertretung, NGOs, MigrantInnenorganisationen sowie antirassistische und basisgewerkschaftliche AktivistInnen.

Überausbeutung

Doch warum arbeiten Menschen schwarz? „Wenn Menschen der volle Zugang zum Arbeitsmarkt verweigert wird und es in vielen Fällen auch keine sonstige Existenzsicherung gibt, dann arbeiten Menschen ohne Papiere“, erklärt Aigner.

Wenn Menschen der volle Zugang zum Arbeitsmarkt verweigert wird und es in vielen Fällen auch keine sonstige Existenzsicherung gibt, dann arbeiten Menschen ohne Papiere.

Für die Betroffenen ist das enorm problematisch. Aigner nennt eine lange Liste von Schwierigkeiten: „Die Menschen sind überausbeutbar, sie werden betrogen, die Arbeit ist oft anstrengend und gefährlich, es gibt keine Schutzstandards, die Kollektivverträge werden nicht angewendet, die Arbeitszeiten ufern aus, es gibt keine Sonderzahlungen und Versicherungsleistungen und immer wieder sogar sexualisierte oder andere Übergriffe.“

Abfertigung Neu: Wie Schwarz-Blau die Beschäftigten abgezockt hat

Undokumentierte Arbeit bedeutet für die Betroffenen auch extremen Stress. „Die Menschen sind enorm ausgeliefert, haben Angst vor Kontrollen und davor, dass sie angezeigt werden“, erzählt die UNDOK-Koordinatorin. „Eigentlich gilt das Arbeitsrecht unabhängig vom Aufenthaltsstatus für alle Arbeitenden“, so Aigner. „Doch manchmal ist es aufgrund des Aufenthaltsstatus schwierig, vor Gericht zu gehen.“ Das wüssten auch die Unternehmen, die die Betroffenen ausbeuten: „Migrationsgesetze erschweren es den Betroffenen, zu ihrem Recht zu kommen. Und wir müssen natürlich in der Beratung den Aufenthaltsstatus mitbeachten, damit die Betroffenen keine zusätzlichen Probleme bekommen.“

Ohne Versicherung

Bekannt problematisch sind die Verhältnisse etwa am Bau oder in der 24-Stunden-Pflege. Dort arbeiten viele Menschen aus anderen Ländern, etwa im Rahmen der EU-Entsenderichtlinie. „In diesen Bereichen kämpfen wir auch mit dem Problem der Scheinselbstständigkeit“, sagt Aigner. Davon kann auch Mario Bartl von der Gewerkschaft Bau-Holz (GBH) ein Lied singen. Bartl erzählt vom Fall eines Kollegen, der über Jahre scheinselbstständig und deshalb nicht versichert war. „Nach einem Arbeitsunfall am Bau musste er mehrere Monate ins Krankenhaus und auf Rehabilitation.“

Viele Menschen erfahren erst, dass sie nicht versichert sind, wenn sie krank werden oder es Arbeitsunfälle gibt. Dann bleiben sie oft auf horrenden Kosten sitzen.

Das Strafverfahren gegen den Arbeitgeber wurde allerdings eingestellt, erzählt Bartl. Dieser habe nämlich nach dem Unfall das Gerüst, von dem der Arbeiter gefallen war, nachträglich gesichert. „Jetzt liegt die Beweislast bei unserem Klienten. Und die hohen Rechnungen für Krankenhaus und Rehabilitation sind für ihn existenzbedrohend.“ Laut Bartl kein Einzelfall. „Viele Menschen erfahren erst, dass sie nicht versichert sind, wenn sie krank werden oder es Arbeitsunfälle gibt. Dann bleiben sie oft auf horrenden Kosten sitzen.“

Mit Absicht in den Konkurs

Ein spezielles Problem am Bau sind die gezielten Konkurse von Subunternehmen. Bartl spricht von einem undurchsichtigen Netz mit Ketten von Subfirmen. „Die Personen, die zu uns kommen, wissen oft nicht einmal, bei welcher Firma sie letztlich beschäftigt sind.“ Wenn eine Subfirma in Konkurs geht, fallen die Beschäftigten oft um ihre Ansprüche um, und die Krankenkassen werden um die Abgaben geprellt. Die Auftraggeber im Hintergrund putzen sich an den Subfirmen ab und tragen keine Kosten.

Wenn eine Subfirma in Konkurs geht, fallen die Beschäftigten oft um ihre Ansprüche um.

In der Pflege gibt es auch noch einen anderen Aspekt: Viele Menschen brauchen Pflege für sich oder ihre Angehörigen, können es sich aber nicht leisten, eine Pflegerin oder einen Pfleger in einem regulären Beschäftigungsverhältnis anzustellen, weshalb sie auf Schwarzarbeit ausweichen. Hier wären mehr staatliche Mittel erforderlich. So könnte für alle Betroffenen ausreichende Pflege sichergestellt werden, während gleichzeitig gerechte Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten gesichert wären.

Sogar die Gummiringe

Enorme Probleme gibt es auch in der Landwirtschaft. „Oft sehen wir Menschen, die in Mehrbettzimmern in desolaten Abbruchhäusern hausen müssen.“ Gernot Trausmuth von der Kampagne „Sezonieri“ für die Rechte der ErntehelferInnen in Österreich hat schon viel erlebt. Eigentlich dürften für die Unterkunft monatlich nur rund 30 Euro abgezogen werden, erklärt er. „Doch erst im vergangenen Jahr hatten wir den Fall eines ukrainischen Erntehelfers: Die Kollegen mussten sich zu viert ein Zimmer teilen, und jeder musste rund 200 Euro dafür bezahlen.“

Was die FPÖ-Forderung zur Zwangsarbeit für Flüchtlinge bedeutet

Immer wieder würden den ErntehelferInnen sogar die Kosten für Arbeitsmittel vom Lohn abgezogen. „Das geht bis zu den Gummiringen bei der Ernte von Radieschen und Jungzwiebeln“, so Trausmuth. Die AktivistInnen von Sezonieri wollen dagegen vorgehen. Sie besuchen die KollegInnen auf den Feldern, um sie aufzuklären.

Ausgangspunkt war Tirol: „KollegInnen aus Rumänien haben dort 2013 einen wilden Streik in der Gemüseproduktion durchgeführt“, erzählt Trausmuth. Ins Leben gerufen wurde die Kampagne dann 2014, getragen wird sie von linken AktivistInnen und der Produktionsgewerkschaft PRO-GE. Heuer gibt es Feldaktionen bereits in sechs Bundesländern. Das Ziel der Sezonieri? „Die Selbstorganisierung der Betroffenen!“

Dumping-Löhne

Lohndruck durch erzwungene Schwarzarbeit bedeutet allerdings nicht nur für die unmittelbar Betroffenen Schwierigkeiten und finanzielle Einbußen. Wenn eine große Gruppe von Menschen – aufgrund von Zwang, restriktivem Arbeitsmarkt oder unsicheren Aufenthaltstiteln – fast jede Arbeit zu fast jedem Preis annehmen muss, verändert das den Arbeitsmarkt insgesamt.

Wenn eine große Gruppe von Menschen fast jede Arbeit zu fast jedem Preis annehmen muss, verändert das den Arbeitsmarkt insgesamt.

Druck auf andere Beschäftigte entsteht, ebenfalls schlechtere Bedingungen zu akzeptieren. Es entsteht eine Spirale nach unten – mit der Gefahr, dass sich Löhne und Arbeitsbedingungen für große Teile der arbeitenden Bevölkerung verschlechtern. Für Heidrun Aigner von UNDOK ist die Antwort klar: „Arbeitsrechte müssen für alle Menschen gelten.“

_____________________

Ich hätte eine Bitte an Dich!

Die Artikel auf dieser Seite sind ohne Paywall für alle Menschen frei lesbar – und es wird hier auch niemals eine Paywall geben. Alle Menschen sollen die Inhalte auf dieser Seite lesen können, egal, wieviel Geld sie haben. Damit das möglich bleibt, brauche ich Deine Hilfe!

Wenn Du meine Projekte gut findest, wenn Dir diese Arbeit etwas wert ist – dann bitte ich Dich um Deine Unterstützung! Besonders freue ich mich, wenn Du meine Arbeit monatlich unterstützen möchtest. Nur so kann ich planen und diese Arbeit professionell fortsetzen!

Schon ab 5 Euro im Monat kannst Du einen wichtigen Beitrag leisten – Damit noch mehr Menschen Journalismus mit Meinung und Haltung lesen können.

• Spendenkonto – monatlich/einmalig:

IBAN: AT64 1420 0200 1026 2551
BIC: BAWAATWW
Easy Bank, 1100 Wien
Kontoinhaber: Michael Bonvalot
(Schreib mir doch Deine Mailadresse als Verwendungszweck dazu!)

• Kreditkarte und Paypal – monatlich/einmalig:

• Steady – monatlich: Klick hier für Steady!

• Patreon – monatlich: Klick hier für Patreon!

Vielen Dank für Deine Unterstützung!

Hast Du diesen Artikel lesenwert gefunden? Dann schick ihn jetzt weiter!
Fatal error: Uncaught ArgumentCountError: 3 arguments are required, 2 given in /home/.sites/142/site7221760/web/bonvalot.at/wp-content/themes/mh-newsdesk-lite/comments.php:39 Stack trace: #0 /home/.sites/142/site7221760/web/bonvalot.at/wp-content/themes/mh-newsdesk-lite/comments.php(39): sprintf('