Überfall mit Antisemitismus auf Austria-Fan

„So leicht geht´s mit euch Juden“ – Mit diesen Worten wird ein Fan der Wiener Austria auf offener Straße beraubt. Antisemitismus gegen die „Austria-Juden“ ist seit Jahrzehnten ein grassierendes Problem unter manchen Fans des Lokalrivalen Rapid.

Mitten auf der Straße wird der junge Austria-Fan von einer Gruppe anderer Männer aufgehalten und gestellt. Er wird bedroht und muss schließlich seine Hose ausziehen. Die Hose ist „Fanwäsche“, hat also Bezug zu einem Fanclub der Wiener Austria. Solche Fanwäsche zu „ziehen“, ist unter Ultra-Fanclubs generell kein unüblicher Vorgang und gilt in der Szene als sozial akzeptabel.

Doch beim Abschied verhöhnen ihn die Täter mit den Worten „So leicht geht´s mit euch Juden“. Das zeigt ein Video, das mir vollständig und ohne Verpixelung vorliegt und das derzeit in der österreichischen Fußball-Szene herum geht. Von wann das Video stammt, ist unklar.

Ebenso unklar ist, wer die Täter sind. Doch die Tatsache, dass hier Austria-Wäsche „gezogen“ wird und der junge Mann anschließend als Jude beschimpft wird, deutet stark auf Täter aus dem Milieu des SK Rapid Wien hin.

Rapid-Fan hebt beim Aufmarsch der Corona-VerharmloserInnen am 26.10.2020 in Wien die rechte Hand zum Gruß. Bild: Presseservice Wien

Bereits seit Jahrzehnten gibt es in der Rapid-Szene ein Problem mit Austria-bezogenem Antisemitismus. Noch in den 1990er Jahren konnte es vorkommen, dass bei einem Derby aus dem Rapid-Block vielstimmig die Parole „Jude Gusch“ gebrüllt wurde.

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Ein Paradebeispiel für diese Stimmung ist ein Interview, das Elizabeth T. Spira in einer ihrer „Alltagsgeschichten“ mit einem Rapid-Fan am Weg zum Stadion nach Hütteldorf führte. Die Austria, das sei „der Judenverein“. Der jüdische Hintergrund sei an den Ohren der Spieler erkennbar, „die können gar nix anders sein wie Juden.“ Die umstehenden Personen lachen hörbar.

Doch dieser Antisemitismus ist kein Problem der Vergangenheit. Das zeigt ein Vorfall vom 9. Mai 2017. Der Abpfiff beim Derby der beiden Nachwuchs-Teams von Austria Wien und Rapid hallt noch nach. Trotz zwei Mann weniger haben die Austria-Amateure in einem erbittert geführten Match mit 2:1 gegen den SK Rapid II gewonnen. Dementsprechend jubeln und feiern die Spieler der „Veilchen“. Plötzlich beginnt der Sprechchor: „Judenschweine! Judenschweine!“

Zuerst sind es nur einer oder zwei, dann fallen immer mehr Rapid-Fans ein. Gezählte 6 mal hallt der Ruf über den Rasen bei diesem Spiel am 9. Mai 2017. Ein Videoteam von Platzverweis.at hat das Match gestreamt und die Szene dabei eingefangen. Zu sehen ist sie auf dem Video ab Minute 1:19:45.

Die Beschimpfung als „Judenschweine“ für die Austrianer ist diesen Rapid-Fans vermutlich nicht zufällig oder spontan eingefallen. Die Wiener Austria galt in der Zwischenkriegszeit als Klub des liberalen jüdischen BürgerInnentums. Ein großer Teil der Mitglieder des Klubvorstands musste 1938 wegen ihrer jüdischen Herkunft vor den Nazis flüchten. Der langjährige Klubsekretär Norbert Lopper („Mister Austria“) überlebte die Hölle von Auschwitz, seine Frau wurde ermordet.

Antisemitische Ausfälle gegen die Austria, ihre Spieler und Fans gibt es immer wieder – sogar mit Berichten über Rapid-Fans, die als Verhöhnung der Austria das sogenannte U-Bahn-Lied anstimmten. Der Text: „Eine U-Bahn bauen wir von Favoriten bis nach Auschwitz!“ In Favoriten liegt das Stadion der Wiener Austria.

 

Der Historiker und Rapid-Fan Roman Birke hat selbst ebenfalls bereits antisemitische Ausfälle in der Rapid-Kurve beobachtet. Er beschreibt ein Derby gegen die Austria am 9. November 2014, also dem Jahrestag der Reichspogromnacht: „Etwas entfernt von mir stand eine Gruppe von 4 bis 5 Männern. Einer davon begann nach dem Tor in die Richtung Damaris zu rufen: ‚Jude! Jude! Jude!‘ [Anm. Omer Damari ist ein jüdisch-israelischer Spieler, der damals bei der Wiener Austria unter Vertrag war]. Ähnliche Kommentare wiederholten sich. Nach dem zweiten Tor von Damari in der 40. Minute rief er ‚Judenschwein! Judenschwein!‘. Die um ihn versammelten Männer stimmten diesmal mit ein. An die ganze Mannschaft der Austria gerichtet riefen sie ‚Judenschweine! Judenschweine!‘ und wiederholten diese Parolen ein paar Mal.

Kurz vor der Pause gab es Auseinandersetzungen im Austria-Sektor, einzelne Leuchtstifte wurden in den neutralen Sektor geworfen. (…) Der Fan-Beauftragte von Rapid, Andy Marek, ließ über das Stadionmikro verlauten, damit aufzuhören – oder wie er es ausdrückte: ‚Owa vom Gas!‘. Die Männergruppe nahm das zum Anlass, um lachend zu sagen: ‚Eine ins Gas!‘, womit sie offensichtlich auf die Massenvernichtung in Gaskammern anspielten. Ob es noch weitere solcher Vorfälle gab, kann ich nicht sagen. Vorstellbar ist es aber in jedem Fall.“

Südstaaten-Fahne im Rapid-Design. Bild: Michael Bonvalot

Auch in sozialen Netzwerken sind antisemitische Beschimpfungen gegen die Austria regelmäßig zu bemerken. So schreibt etwa ein User auf der Facebook Seite von Laola: „Das ist halt die Austria, wer schaut sich den Juden-Verein an.“

Doch nicht nur die Austria wird Ziel von antisemitischen Ausfällen aus dem Rapid-Anhang, auch den eigenen Verein kann es treffen. Als das neuerrichtete Stadion des SK Rapid im Juli 2016 eingeweiht wurde, sorgte der neue Name „Allianz Stadion“ bei vielen Fans für Proteste.

Das ist nachvollziehbar, denn für traditionsbewusste Fußballfans ist es unerträglich, wenn Vereinsname, Vereinslogo oder der Name des Stadions durch Sponsorlogos verändert werden. Doch manche Fans benützten den Protest für eine antisemitische Attacke. „Fick die Allianz“ wurde in der Nähe des Rapid-Stadions gesprayt. Das „A“ aus Allianz wurde dabei zum Davidstern verändert.

Die aktuelle Atttacke steht also vermutlich in einer langen Tradition antisemitischer Attacken auf die Austria. Der Diebstahl selbst ist dabei ein Vorgang, der in Fanszenen regelmäßig vorkommt und letztlich auch wechselseitig akzeptiert ist. Fans, die in „Wäsche“ der Fanclubs herumgehen, wissen, dass ihnen das blühen kann. Doch hier geht es um etwas anderes.

Hier geht es um eine antisemitische Beschimpfung. Hier geht es um die Selbstverständlichkeit, mit der am Schluss der Attacke die antisemitische Beschimpfung folgt. Und solche Beschimpfungen sind völlig inakzeptabel. Sie haben weder im Fußball noch in der Gesellschaft etwas verloren.

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