Rechtsextreme marschieren am Wiener Zentralfriedhof auf

Mehrere Dutzend Personen sind am Samstag beim Grab des Nazi-Offiziers Walter Nowotny aufmarschiert. In einer Rede verharmlost ein FPÖ-Funktionär die NS-Wehrmacht. Seit Jahren tobt ein Streit um dieses ehemalige Ehrengrab der Stadt Wien.

Es ist die Reihe 14C am Wiener Zentralfriedhof, mitten unter den Ehrengräbern. Die Gruft mit den Gräbern der Bundespräsidenten ist nur wenige Meter entfernt. Kurz nach Allerheiligen sind hier die meisten Gräber mit Kränzen geschmückt. Die meisten davon haben rote Schleifen, in dieser Gräberreihe sind sehr viele Menschen aus der ArbeiterInnenbewegung begraben. Doch ein Grab sticht sofort heraus: Es ist das Grab mit der Nummer zwölf, darauf ein großes Eisernes Kreuz.

Hier liegt Walter Nowotny begraben, laut Grabinschrift „Major der Luftwaffe, Träger des Eichenlaubes mit Schwertern und Brillanten zum Ritterkreuz des eisernen Kreuzes“. Der Geburtstag von Nowotny ist mit der sogenannten Lebensrune gekennzeichnet, die in einschlägigen Kreisen bis heute gern verwendet wird. Abschließend die Losung: „Ewig ist der Toten Tatenruhm“. Das gesamte Grab macht klar: Hier ist ein strammer Nazi begraben.

„Junger Führer der Hitler-Jugend“

Der Niederösterreicher Walter Nowotny war Offizier der NS-Luftwaffe und Kampfflieger für das NS-Regime. Nach zahlreichen Einsätzen wurde er 1944 abgeschossen. Laut dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) würdigte sogar das NS-Zentralorgan, der Völkische Beobachter, den Offizier. Er hätte „als junger Führer der Hitler-Jugend trotz aller Verfolgungen in der Verbotszeit begeistert und unentwegt Adolf Hitler die Treue“ gehalten, heißt es da.

Das steht im FPÖ-„Historikerbericht“

Es sollte also nicht verwundern, dass dieses Grab bis heute ein Wallfahrtsort für Nazis, FaschistInnen und Rechtsextreme ist. Einmal im Jahr, zumeist rund um Nowotnys Todestag am 8. November, kommen sie hier zusammen, um ihres Helden zu gedenken. Auch 2019 ist das der Fall. Mehrere dutzend Personen haben sich trotz Regenwetter am Samstag vormittag am Grab aufgetaucht, inklusive Fahnen und Blaskappelle. Beschützt werden sie von einem Aufgebot der Polizei.

Die Veranstalter haben offenbar zusätzlich einen privaten Sicherheitsdienst angeheuert. Mehrere Sicherheitsleute versuchen immer wieder mit Regenschirmen, FotografInnen an ihrer Arbeit zu hindern. Zumindest einer dieser Sicherheitsleute trägt dabei mit Protektoren verstärkte Handschuhe, die auch als Bewaffnung dienen können.

Bild: Michael Bonvalot

Auffallend ist 2019, dass das burschenschaftliche Milieu nicht sichtbar vertreten war. Waren in der Vergangenheit verbindungsstudentische Kreise oft in einschlägiger Montur am Nowotny-Grab aufgetreten, ist es in diesem Jahr nur ein „Alter Herr“ einer Verbindung, der mit Mütze und schwarz-weiß-rotem Band am Grab auftritt.

Es wäre keine Überraschung, wenn es eine Weisung der FPÖ-Spitze gegeben hat. Schließlich könnten solche Bilder während möglicher schwarz-blauer Koalitionsverhandlungen störend wirken.

Video: Burschenschaften in Wien – Eine Spurensuche

Die Grabrede zeigt dann die einschlägige Gesinnung, die auf diesem Aufmarsch vorherrscht. [Update: Beim Redner handelt es sich um den FPÖ-Politiker Johann Herzog, einen hochrangigen Funktionär der Partei. Unter anderem war er Gemeinderatsmitglied und zweiter Präsident des Wiener Landtags. Derzeit ist Herzog der Leiter der „Freiheitlichen Akademie“ in Wien, also der Bildungsakademie der FPÖ. Daneben ist er – wie viele andere Wiener FPÖ-Mandatare – Mitglied der Burschenschaft Aldania.]

Laut Herzog wäre Nowotny „nix vorzuwerfen gewesen“, außer „dass er im Zweiten Weltkrieg auf der Seite des eigenen Volkes gekämpft hat“. Das mörderische NS-Regime ist für FPÖ-Politiker Herzog offenbar „das eigene Volk“.

Nowotny sei politisch „ziemlich unbelastet“ gewesen und „kein Parteimitglied“ der NSDAP. Das hätte sein Bruder „klar festgestellt“. Der kleine Schönheitsfehler: Das widerspricht den Fakten, wie der ORF 2012 berichtet hat. Nowotny, am 7. Dezember 1920 in Gmünd geboren, scheint in den Unterlagen des Berliner Document Center als NSDAP-Mitglied mit der Nummer 6.382.781 auf. Als Aufnahmedatum ist der 1. Mai 1938 angeführt, Nowotny war zu diesem Zeitpunkt also 17 Jahre alt.

Verteidigung der NS-Wehrmacht

In Zeitungen, setzt Herzog fort, seien „immer öfter“ gar „Beschimpfungen der deutschen Wehrmacht“ zu lesen. Die würde als „Nazi-Armee und ähnliches“ bezeichnet, das sei „eine Schande“. Schließlich behauptet Herzog: „Es war nicht eine Nazi-Armee, sondern schlicht und einfach die deutsche Wehrmacht, die hier ihre Tätigkeit gemacht hat.“ Dass diese „Tätigkeit“ in einem Angriffskrieg und unzähligen Kriegsverbrechen und Ermordungen bestand, erwähnt Herzog nicht.

Die Identitären und der japanische Faschismus – Ein Code für Putsch, Gewalt und Diktatur

Die Rede war gleichzeitig auch von einer gewissen Weinerlichkeit geprägt. Immer wieder empört sich Herzog über die Aberkennung des Ehrengrab-Status im Jahr 2003. Das sei ein „Affront“ gewesen, „wirklich schlimm“, „eine „Diffamierung“. Es sei eine „Schande“, dass durch die Aberkennung versucht worden sei, „Soldaten die Ehre zu nehmen“.

Der Hintergrund: Über viele Jahre war das Nowotny-Grab offiziell ein Ehrengrab der Stadt Wien, die Pflege wurde von der Stadt finanziert. Doch nach jahrelangen antifaschistischen Protesten hat die Stadt Wien diesen Status im Jahr 2003 aberkannt. Faktisch aber ist das Grab weiter in der Ehrengräbergruppe, von außen ist kein Unterschied erkennbar.

Bild: Michael Bonvalot

Auch die Pflege des Grabes wurde weiter aus Steuergeldern finanziert: Nachdem die Stadt Wien nach vielen Jahren ausgefallen war, sprang das ÖVP-geführte Innenministerium ein.

Ab 2012 hat dann ein privater Verein die Pflege übernommen. An der Gründung beteiligt waren unter anderem die FPÖ-Politiker Herzog und Hans-Jörg Jenewein. Jenewein war bis zur Nationalratswahl 2019 Nationalratsabgeordneter.

FPÖ-Funktionäre kümmern sich seit Jahren um ein Nazi-Grab am Zentralfriedhof

In der Vergangenheit war bei diesem Aufmarsch auch die offene NS-Szene von Naziführer Gottfried Küssel abwärts anwesend – in der zweiten Reihe übrigens sein damaliger Jungspund Martin Sellner, heute Vorzeige-Kamerad der neofaschistischen Gruppe „Identitäre Bewegung“. Das belegt der Blog „Küssels Kameraden“ mit Bildern. Diese Milieus hielten heuer still. Doch die Aggressivität der Teilnehmer des Aufmarsches war dennoch deutlich sichtbar.

Immer wieder wurde ich etwa als „schwul“ bezeichnet – in diesen Kreisen soll das offenbar eine Diffamierung darstellen. Ein Kollege und ich wurden mit einem Schirm attackiert. Offenbar ist es den einschlägigen Kreisen gar nicht recht, wenn ihre Aufmärsche dokumentiert werden. Ein Grund mehr, es zu tun.

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